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Auch so kann Normalität aussehen: Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Bill Clinton, kommt am 13. und 14. Mai zu Besuch — und niemanden interessiert das wirklich. Denn während bei den Besuchen seiner Vorgänger regelmäßig die politische Fieberkurve der Stadt anstieg, bleibt Berlin nun relativ cool. John F. Kennedy brachte als Symbol für amerikanische Rückendeckung im Kalten Krieg die BerlinerInnen zum Jubeln, Ronald Reagan ließ als Repräsentant des US-Imperialismus zumindest die linken Köpfe rauchen. Bei Clinton werden alle nur darauf achten, wo die Praktikantinnen bleiben.

Mr. President kommt aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums der Luftbrücke. Doch wieder anders als Kennedy oder Reagan („Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“) schaut er nicht nach vorn, sondern nach hinten: Berlin ist trotz seiner Stellung als Hauptstadt nicht mehr Frontstadt und Nabel der „freien Welt“, sondern Nebenschauplatz der Weltpolitik. Und auch die Stadt selbst versteht sich nicht mehr als Außenposten der Freiheit, sondern als pleite gegangenes Bundesland, in dem eher alltägliche Dinge wie Kürzungspolitik und Arbeitslosigkeit die Gemüter erhitzen. Die angekündigte „große Rede“ des US- Präsidenten zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen wird denn auch die BerlinerInnen kaum interessieren. Das ist ebenfalls ein Vorgeschmack auf die Funktion als Hauptstadt: Präsidenten kommen und gehen, das Leben geht weiter. Für Clintons Visite jedenfalls gilt: Sicherheitsstufe 1, Bedeutungsstufe 0. Bernhard Pötter

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