Kommentar: Augenblicke
■ Mit zweifelhaften Methoden werden Kiffer aus dem Verkehr gezogen
Es gibt diese Story, bei der die Pupillen von Kiffern nicht nur geweitet sind, sondern richtig schön glänzen: die vom besten Jointbauer. Der Baumeister schlechthin soll ein Typ sein, der eine Tüte einhändig und ohne den Klebestreifen rollt – die andere Hand zum Beweis am Steuer eines Autos. Nichts gegen die Kunstfertigkeit; manch einer raucht ja Tesafilm, bloß weil er anders seinen Joint nicht geklebt kriegt. Allein, wer so das angetörnte Autofahren salonfähig macht, der hat tatsächlich nicht viel mehr als Steine im Kopf.
Jede Haschzigarette, und sei sie noch so winzig, verändert die Wahrnehmung. Das ist es ja gerade, was im Selbstverständnis der Kiffer den feinen Unterschied macht. Alks sind nach ein paar Bierchen einfach lull und lall: schwermütig dumpfe Zeitgenossen, unfähig, Hirn oder Zunge zu gebrauchen, Sensibilität nahe Null.
Kiffer dagegen rühmen sich ihrer Offenheit: sensibel für Eindrücke und Sichtweisen, die neu sind, ungewöhnlich. Auch ihre Reaktionen fallen anders aus, langsamer nämlich – slow motion. Kurz, sie sind völlig ungeeignet, ein Fahrzeug zu steuern oder gar gefährliche Situationen schnell und zielsicher zu entschärfen.
Man mag sich lustig machen über die verzweifelte Aktion der Cops gegen Kiffer. Natürlich geht es den Behörden nicht in erster Linie darum, Dope als Straßenverkehrsrisiko auszuschalten. Verkehrsminister Wissmanns Gesetz will Haschischkonsumenten kriminalisieren und in Wahlkampftagen ein abstraktes Gefühl von „mehr Sicherheit“ erzeugen. Genauso abseitig sind die Ermittlungsmethoden der Staatsorgane. Da werden nutzlose Meßgeräte eingesetzt. THC-Nachweise werden geführt, die nichts darüber aussagen, wann das Hasch über die Lippen kam. Selbst die euphorische Stimmung unserer Haschbrüder und -schwestern soll als Indiz für eine Kontrolle herhalten. Lieber Himmel, was machen die armen Beamten nur, wenn jemand euphorisiert auf dem Heimweg von einer Liebesnacht ertappt wird? Festnehmen und messen, ob Kiffen oder Ficken die Glückgefühle verursacht hat?
Viel gesoffen und die Polizeikontrolle prima umfahren, brüsten sich Trinker. Kiffer sind anders, heißt aber das Leitmotiv des Jointrauchens. Was bleibt da anderes übrig, wenn das Selbstverständnis des Haschers keine Lebenslüge sein soll, als ohne polizeiliche Nachilfe genau dieses Programm zu haben: Schön geraucht – und nicht gefahren. Christian Füller
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