■ Kommentar: Saumagen und Sahnetorte
Vorbei, vorbei. Eine Woche lang ist Helmut Kohl noch Kanzler, doch die Hauptstadt wird er in diesen sieben Tagen nicht mehr besuchen. So bleiben uns schon jetzt nur noch die Monumente christdemokratischer Geschichtspolitik, die der Pfälzer in den märkischen Sand rammen ließ – auch wenn es sich dabei hauptsächlich um Baugruben handelt. Für den Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums etwa oder für das Holocaust- Mahnmal, mit dem der Kanzler für die verunglückte Pietà in der Neuen Wache Abbitte leisten wollte.
Daß Kohls Hinterlassenschaft, anders als die seines Vorbilds François Mitterrand, ruinös und unfertig daliegt, ist kein Zufall. Selbst politischen Getreuen blieb stets rätselhaft, warum sich der Reihenhausmensch und Saumagenfreund zur preußischen Metropole derart hingezogen fühlte. Die Sahnetörtchen im Café Möhring allein, mit denen der Ewige Kanzler seine Berlin- Besuche stets abrundete, können es nicht gewesen sein. „Isch mag die Art der Berliner“, pflegte er zu sagen. Woher er sie kannte, war sein Geheimnis. Volksnähe à la Roman Herzog, der sich früher an Currywurst-Buden über die Berliner Befindlichkeit informierte, ist von Kohl nicht überliefert. Des Kanzlers kaum greifbare Gefühlsduselei in Sachen Berlin hat es der SPD erleichtert, das Thema „Hauptstadt“ zu besetzen. Vom Meeting im Colosseum-Kino über den Kulturgipfel im Berliner Ensemble bis zum Endspurt im Velodrom – jedes wichtige Wahlkampf-Event hat sie in Berlin inszeniert und das vermeintliche Copyright des Kanzlers auf die „Berliner Republik“ geschickt unterlaufen. Wer sich an Kohl erinnern will, sollte vielleicht doch lieber nach Bonn fahren. Ralph Bollmann
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