Kommentar: Radunski und das Metropol
■ Der heimliche Theatermörder entlarvt sich
Peter Radunski steht im Wort. Anders als sein Vorgänger wolle er kein Theater schließen, erklärte er gleich bei Amtsantritt. Welch ein Glück, daß Intendant René Kollo wenig später das Metropol-Theater an die Wand fuhr. Jetzt kann der Kultursenator seine Haushaltslöcher aus dem Etat der Operettenbühne stopfen, ohne sichtbar als Theatermörder dazustehen.
Angesichts der drastischen Sparvorgabe von 100 Millionen Mark in drei Jahren war Radunskis Versprechen ohnehin wenig realistisch. Hätte er das Metropol wirklich erhalten wollen, dann hätte er bei den übrigen Theatern schnell und effektiv sparen müssen. Getan hat er jedoch das Gegenteil: Er ließ die Zügel schleifen, wenig einsichtige Intendanten wie Götz Friedrich durften lange schalten und walten, wie sie wollten.
Wer dagegen mehr Theater für weniger Geld produziert, darf auf den Dank des Senators nicht hoffen. Die Komische Oper beispielsweise bietet mit dem bei weitem niedrigsten Etat als einziges der Berliner Opernhäuser noch ein volles Programm. Die Staatsoper macht zwar mit prominent besetzten Premieren von sich reden – doch die verschwinden nach fünf Vorstellungen wieder im Fundus. Der Rest sind Schließtage.
Doch diesen Weg belohnt Radunski im kommenden Jahr mit zusätzlichem Geld. Schließlich praktiziert Staatsopern-Intendant Daniel Barenboim hauptstadtfähige Event-Kultur, die das Image fördert. Doch damit ist der Sinn öffentlicher Kulturförderung verfehlt, die doch zuerst das kulturelle Netz knüpfen sollte, bevor sie zu spektakulären Luftsprüngen ansetzt – und dabei abstürzt.
Gewiß, auch in Zeiten knapper Kassen muß Neues möglich sein. Daß Radunski sich nicht in einer Verteidungsstellung verschanzt, sondern etwa mit der Peymann- Lösung am Berliner Ensemble neue Akzente im Kulturbetrieb setzt, zeichnet ihn gegenüber seinem Vorgänger aus. Doch darf er es nicht mit Hilfe von Luftbuchungen tun – denn die werden, des Senators neuerdings harsche Rhetorik gegenüber den Intendanten beweist es, dem Kulturbetrieb insgesamt auf die Füße fallen.
Funktionierende Theater zu erhalten ist in dieser Situation gewiß wichtiger, als ein ohnehin schon totes Theater auf Biegen und Brechen wiederbeleben zu wollen. Auch wenn ein neuerlicher Aufschub die Wiedereröffnung des Metropol-Theaters überhaupt in Frage stellt – in der verfahrenen Lage ist es die am wenigsten schlechte Lösung. Ralph Bollmann
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