Kommentar: Innensenator in Bedrängnis
■ Schärferes Gesetz ist Ablenkungsmanöver
Wir brauchen schärfere Gesetze! Wie oft haben wir diesen Satz in den vergangenen Jahren schon gehört – ob es um Sexualstraftäter ging, um Rechtsradikale oder, wie jetzt, um PKK-Anhänger. Nach dem Blutbad am israelischen Konsulat will Innensenator Werthebach (CDU) gleich das Polizeigesetz ändern, um notorische Gewalttäter für vier Tage vorsorglich hinter Gitter zu bringen.
Was er sich davon verspricht, bleibt unklar. Schließlich mußte der frühere Chef des Verfassungsschutzes einräumen, daß die Schlapphüte zum harten Kern der PKK nicht ausreichend Zugang haben. Wie also will Werthebach überhaupt festlegen, wen er verhaften läßt? Hält er solche Massenverhaftungen für geeignet, die Stimmung unter PKK-Anhängern zu beruhigen? Und was macht der Senator, wenn sich die Gewaltbereitschaft nicht gemäßigt hat?
Der Nutzen ist zweifelhaft, der Schaden hingegen nicht. Daß vermeintlich unzuverlässige Elemente zu bestimmten Anlässen gleich vorsorglich unter Hausarrest gestellt wurden, kannten wir zuletzt aus dem untergegangenen Realsozialismus. Wenn der Rechtsstaat hingegen seine Bürger mit oder ohne Paß hinter Gitter bringen will, dann muß er schon abwarten, bis sie tatsächlich eine Straftat begangen haben. Daß sie es vielleicht möglicherweise zukünftig tun werden, genügt nicht.
Doch um solch rationales Abwägen geht es dem Senator nicht. Schließlich dient die rituelle Forderung nach schärferen Gesetzen nur als emotionale Beruhigungspille, wo die Politik mit ihrem Latein am Ende ist – entweder objektiv oder aus eigenem Versagen.
Der Fall Werthebach gehört in die zweite Kategorie. Der Senator hat sich Vorwärtsverteidigung entschlossen, weil er nach dem blamablen Polizeieinsatz am israelischen Konsulat in der Bredouille ist. Was auch immer Werthebach zu seiner Entschuldigung vorbringen mag – es offenbart den Mangel an politischem Instinkt. Daß das israelische Konsulat für die PKK ein spektakuläres Ziel abgeben würde, war klar. Daß die Israelis aus einem nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnis rigide reagieren würden, ebenfalls. Ein rot-grüner Polizeiminister sähe sich in seiner Lage längst mit dem Ruf nach Rücktritt konfrontiert. Ralph Bollmann
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