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KommentarDer schweigende Männerbund

■ Schwangerschaftsberatung: Bischöfe warten auf den Papst

Vier Tage rauchten die Bischofsköpfe in Lingen – und nun dürfen wir immer noch nichts Offizielles erfahren. Erst müssen die braven Buben den Papa fragen. Der offenbar ausgehandelte Kompromiß, der den Verbleib in der gesetzlichen Schwangerschaftsberatung mit einschließt, soll uns mit päpstlichem Segen serviert werden. Wer wird sich bei dem Machtkampf im Vatikan durchsetzen? Die Hardliner um Kardinal Ratzinger oder der vatikanische Staatssekretär Angelo Sodano, für den die Ausstellung des Beratungsscheins nicht gleichbedeutend mit einer „Lizenz zum Töten“ ist? Daß die Abtreibung eines Embryos Mord ist, ist in der Zeit der Tiefkühl- Embryonen ohnehin eine Minderheitenmeinung. Aber die Kirche traut den Frauen keinerlei Eigenverantwortung zu. Man muß es nicht Frauenhaß nennen, doch spricht aus den Lebensschützertheorien ein tiefes Mißtrauen gegenüber dem weiblichen Geschlecht.

Die Herrenrunde in Lingen zumindest scheint sich einen Ruck gegeben zu haben, den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils fortzuführen – die Welt weiter umarmen, anstatt sich zurückzuziehen. Das ist klug. Denn man wird den von der Kirche diagnostizierten Verfall der Werte nicht durch lebensfremde Dogmen aufhalten, schließlich wurde schon zu biblischen Zeiten abgetrieben. Wenn die Kirche eine Heimat für Menschen sein will, anstatt in Richtung Sekte zu driften, dann muß sie solche Dogmen in Frage stellen, mindestens aber Widersprüche aushalten. Das Votum der Bischöfe scheint zum Glück in diese Richtung zu gehen.

Der Männerbund katholische Kirche quält sich. Die ungewollt geschwängerten Frauen gehen derweil lieber zu den Protestanten oder zu Pro Familia. Denn auch mit dem Beratungs- und Hilfeplan, den die Bischöfe nun möglicherweise einführen, wird kaum einer der Abtreibungswilligen ernsthaft weitergeholfen. Nach einer Statistik der katholischen Beratungsdienste gibt gerade ein Sechstel der Beratenen materielle Schwierigkeiten als Grund für die Abtreibung an. Gut die Hälfte der Frauen dagegen wollen die Kinder nicht, weil sie sie nicht ohne Vater aufziehen möchten. Wo die sind oder warum sie nicht besser verhütet haben, darum kümmern sich die Kirchenmänner, die so viel über Frauenkörper nachdenken, natürlich nicht. Ebenso wie Männer müssen Frauen deshalb die Verantwortung für ein Kind ablehnen dürfen. Heide Oestreich

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