Kommentar: Betonkurs
■ Münteferings Verkehrspolitik folgt den eingefahrenen Mustern
Die EU hat vor kurzem festgelegt, was benachteiligte Regionen mit der Strukturhilfe aus Brüssel fördern sollen. Da ist von Innovation die Rede, von Umwelt, Nachhaltigkeit und der Gleichstellung der Geschlechter. Auch regionale Wirtschaftskreisläufe sollen gestärkt werden. Und was fällt den Deutschen dazu ein? Autobahnen – mal wieder.
Etwa drei Milliarden Mark aus Brüssel haben die ostdeutschen Länder aus ihren Fördergeldern abgezweigt und an Bundesverkehrsminister Müntefering weitergeleitet. Der hat versprochen, noch einmal 4,9 Milliarden Mark draufzulegen und davon schöne neue Verkehrswege zu bauen. Etwa zwei Drittel der Mittel sind für Straßenbau vorgesehen; der Rest geht in die Schiene.
Müntefering setzt das Spiel seines CDU-Vorgängers ungebrochen fort: Zum einen betont er immer wieder, den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern zu wollen, um dann genau das Gegenteil zu tun. Auch die Masche, möglichst viele Projekte anzufinanzieren und so einen Fortsetzungszwang zu erzeugen, hat Müntefering von Wissmann abgekupfert. Der Rügendamm oder die Verbindung Schwerin-Wismar hätten auf Jahre keine Chance, weil schon das Geld im Bundeshaushalt für die Ostseeautobahn nicht ausreicht. Doch sobald EU-Gelder drinstrecken, muß die Asphaltpiste irgendwann fertig werden. Bei der Verteidigung der Pfründe gegen den sparwütigen Finanzminister Eichel ist das EU-Argument bestimmt auch ein Trumpf.
Und die Grünen? Zwar steht im Koalitionsvertrag, daß die Investitionen für Straße und Schiene angeglichen werden sollen. Doch mal wieder halten die Grünen still. Schließlich sind ja auch ein paar gute Projekte dabei wie die Mitte-Deutschland-Bahn von Görlitz nach Paderborn. Und immerhin hat Müntefering es vermieden, provokative Projekte wie die ICE-Trasse Erfurt-Nürnberg oder die Ostseeautobahn aufzunehmen. Wer interessiert sich schon für die Ortsumgehung Wolgast? Weil kein öffentlicher Aufschrei zu erwarten ist, bleibt der Verkehrsplan unterhalb der Schmerzgrenze der grünen Bundestagsfraktion. Solche Art von Taktiererei aber unterstützt die Betonpolitik à la Müntefering. So wird auch der überübernächste Verkehrsminister keine umweltfreundliche Politik machen können. Annette Jensen
Bericht Seite 9
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