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KommentarGeschmacklos

■ Waren die beiden toten „Stern“-Reporter selbst schuld?

Kriegsberichterstatter tragen ein höheres berufliches Risiko als Feuilletonredakteure. Verletzte und auch Tote in ihren Reihen sind unvermeidlich. Was sich aber vermeiden läßt, sind nachträgliche Unterstellungen, die Korrespondenten seien eben unvorsichtig gewesen und an ihrem Schicksal selber schuld. Journalismus dürfe nicht zum Abenteurertum verkommen, hat ausgerechnet der Vorsitzende des Deutschen Journalisten Verbandes, Hermann Meyn, erklärt – und das, als die Umstände des Todes von zwei Stern-Reportern im Kosovo noch ungeklärt waren. Das ist geschmacklos.

Meyn fügte noch hinzu, in diesem hochgradig verminten Gebiet müßten Journalisten nicht in erster Front mitmarschieren. Nein? Dies zeugt von einem seltsamen journalistischen Selbstverständnis. Kriegsberichterstatter sind keine Paparazzi auf der Jagd nach Klatschgeschichten. Sie liefern Informationen, auf die eine demokratische Öffentlichkeit angewiesen ist, um sich ein Urteil über das Verhalten der eigenen Regierung zu einem Konflikt zu bilden.

Ein Sprecher der Hardthöhe hat an Journalisten appelliert, nicht alleine loszufahren, sondern den Schutz der Streitkräfte anzunehmen. Das ist nett gemeint, aber ein bedenklicher Rat. Soll denn künftig über Krisen nur noch aus Sicht der jeweils siegreichen, vorzugsweise der eigenen Seite berichtet werden? Es sei daran erinnert, was für ein verzerrtes, einseitiges Bild Journalistenpools unter Aufsicht der USA vom Golfkrieg gezeichnet haben.

Es gibt verantwortungslose Chefredakteure, die unerfahrene, ehrgeizige Nachwuchsjournalisten in Krisengebieten verheizen. Es gibt Draufgänger mit Presseausweis, die nicht nur sich selbst, sondern auch andere in Gefahr bringen. Beides trifft für den Fall der getöteten Stern-Journalisten offenbar nicht zu. Sie sind einem jener Arbeitsunfälle zum Opfer gefallen, die häufiger werden, seit die Macht der Medien von Konfliktparteien erkannt worden ist. Dabei spielt es keine Rolle, daß sie auf der Straße von Scharfschützen und nicht, wie ursprünglich angenommen, bei der Suche nach Massengräbern ermordet wurden. Den Toten nachträglich die Ausübung ihres Berufs zum Vorwurf zu machen, deutet in beiden Fällen auf eine Verkennung der Anforderungen freier Berichterstattung hin. Außerdem gehört es sich nicht.

Bettina Gaus hat sechs Jahre aus Kriegsgebieten Afrikas berichtet

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