Kommentar: Keine Mehrheit
■ Heroinabgabe scheiterte auch an der SPD
Mit der Entscheidung, sich zunächst nicht an dem bundesweiten Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige zu beteiligen, hat sich Berlin – wieder einmal – von fortschrittlichen drogenpolitischen Ansätzen verabschiedet.
Zwar dürfen die Erwartungen an die Heroinabgabe nicht allzu hoch gesteckt werden, sie ist kein Allheilmittel. Aber sie könnte einem Teil der Schwerstabhängigen, die bislang nicht von der Angeboten der Drogenhilfe erreicht werden, das Leben retten. Das ist Grund genug, neue Versuche zu wagen. Und die Ergebnisse aus der Schweiz, wo ein ähnlicher Modellversuch durchgeführt wurde, stimmen optimistisch: Die gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Situation der Abhängigen verbesserte sich, die Beschaffungskriminalität nahm ab.
All das weiß auch die zuständige Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD), die die Teilnahme Berlins an dem Modellprojekt befürwortet hat. Doch die angeschlagene Senatorin konnte sich mit ihrer Position nicht durchsetzen. Das lag zum einen an der massiven Blockade von Innensenator Eckart Werthebach (CDU), der, von herzlich wenig Fachkenntnis getrübt, mit populistischen Platitüden gegen das Modellprojekt Front machte. Anderswo ist die CDU da weiter: Selbst der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bundestag, Hermann Kues, hat erkannt, daß die alte Drogenpolitik gescheitert ist.
Aber gescheitert ist Stahmer auch an ihrer eigenen Partei, die sich wieder einmal nicht klar zu einem fortschrittlichen Politikansatz bekannte. Die SPD wollte auf jeden Fall verhindern, daß die Heroinvergabe zum Thema im Wahlkampf wird. Schließlich eignet sich diese bestens für Angstkampagnen, die die CDU nur allzu gerne inszeniert.
Also sind die Sozialdemokraten der Vorgabe ihres Parteichefs Peter Strieder gefolgt: Sie haben das Thema runtergekocht. Kaum ein führender Sozialdemokrat hat sich öffentlich für das Modellprojekt stark gemacht – auch wenn er es insgeheim befürwortet. Doch mit so lauen Positionen ist keine fortschrittliche Drogenpolitik zu machen. Diese aber ist in Berlin seit langem überfällig. Sabine am Orde
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