■ Kommentar: Irre real
Henning Voscherau hat sie neulich entdeckt: „Wir müssen uns der Realität stellen.“ Ortwin Runde kennt sie schon lange: „Sozialpolitiker sind schon immer größere Realisten als die Wirtschaftspolitiker gewesen.“ Das Bekenntnis führender Sozialdemokraten für diese unsere Wirklichkeit zeigt, wie wenig die rauhe Realität sozialdemokratisches Regierungshandeln bislang bestimmte.
Wie für frisch Bekehrte üblich, machen die Neo-Realisten aus ihrer Erkenntnis gleich eine Religion. Beispiel Runde: Frisch-fröhlich adelt er die Elbvertiefung zur conditio sine qua non wirtschaftlicher Wiederauferstehung, eine Bessenheit, die Voscheraus Essentials in Sachen Elbtunnel oder Hafenerweiterung in nichts nachsteht.
In der ideologischen Vermengung von Sparnotwendigkeit und versessener Standortpolitik rennen Hamburgs Sozialdemokraten allerdings in eine wirtschaftsreaktionäre Falle. Richtig: Der Hamburger Staatsapparat kann nicht in der bisherigen geldfressenden Ineffizienz weiterwursteln. Aber: Wo bleibt das Bündnis für Arbeit im öffentlichen Dienst? Richtig: Hamburgs Wirtschaft braucht neue Impulse. Aber: Sind Transrapid, Elbvertiefung und Kahlschlagsanierung der Universitäten dazu die richtigen Mittel?
Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie einer neuen Politik. Und da sind die Grünen mit ihrem ökologisch-sozialen Ansatz die weit größeren Realisten: Stadtbahn statt ÖPNV-Reduzierung, Hochschulausbau statt Elbvertiefung, Armutsbekämpfung statt Atomstromsubvention – die grünen Realos haben die moderneren Konzepte für den Wirtschaftsstandort Hamburg.
Florian Marten
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