■ Kommentar: Weg mit dem Holzhammer ■ Der Krach um die Gesundheitsrefom ist überflüssig
Der Streit um die Gesundheitsreform wird immer mehr zur Farce. Kompromisse werden ausgehandelt und gleich wieder aufgekündigt. Die Kassenärztechefs der Länder drohen mit dem Holzhammer, sprich mit Wartelisten für Behandlungen; die Ministerin reagiert wie von der Tarantel gestochen; der Ärztekammerpräsident schilt die Kassenärzte, und Rudolf Dreßler fällt seiner Ministerin in den Rücken.
Etwas mehr Gelassenheit bitte! Eigentlich sind die Positionen nicht mehr so weit voneinander entfernt. Auch beim Arzneimittelbudget 1999 wurde ein für alle akzeptabler Kompromiss erzielt. Die Ministerin hatte signalisiert, dass sie Geld nachschießen wird, damit die Ärzte in Berlin, Brandenburg und Hamburg von Regressen verschont bleiben. Warum müssen die Kassenärztechefs der Länder da noch mit ihrem unseligen Notprogramm drohen? Und warum reagiert die Ministerin gleich mit dem Abbruch der Gespräche, wenn das Ländergremium der Kassenärzte gar nicht ihr Verhandlungspartner ist? Dreßler hat übrigens Recht mit seiner Kritik an Fischers vorschneller Reaktion. Aber warum erzählt er das nicht ihr, sondern den Zeitungen?
Natürlich ist die Kritik der Ärzte an den kollektiven Regresszahlungen berechtigt. Es macht keinen Sinn, dass alle dafür haften müssen, wenn einzelne Ärzte zu viel verschreiben. Das haben SPD und Grüne auch schon eingesehen. An Stelle der kollektiven Haftung muss ein individuelles Budget treten. Ärzte, die nachweisen können, dass sie besonders viele alte und chronisch kranke Patienten haben, müssen natürlich auch das Recht haben, mehr und teurere Medikamente zu verschreiben. Wenn sich alle an die Vorgabe halten, nur wirklich notwendige Medikamente zu verschreiben, werden sie ihre Budgets auch einhalten können. Das sagen auch viele Ärzte. Sie wissen selbst, dass sie viel zu schnell viel zu viel verschreiben.
Koalition, Krankenkassen und Ärztevertreter haben sich längst darauf geeinigt, dass noch einmal über die Höhe des Budgets geredet werden muss. Nach Andrea Fischers Plan soll das Globalbudget ebenso steigen wie die Grundlöhne. Nun wird überlegt, ob der medizinische Fortschritt nicht doch eine stärkere Erhöhung erzwingt. Die Bundesregierung ist also durchaus kompromissbereit. Aber mit dem Holzhammer ist bei Fischer nichts zu erreichen. Tina Stadlmayer
Bericht Seite 6
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