■ Kommentar: Prost, Harald! Juhnke wiederholt seinen Auftritt in Berlin
Harald Juhnke hat das, was sein Preußen-Publikum von ihm erwartet: Schneid, gepaart mit dem masochistischen Drang nach unbedingter Disziplin. Feigheit vor dem Feind – das ist nicht die Sache eines Mannes, der es nicht gelernt hat, vor irgendwelchen Hotelpagen im Ausland zu kuschen. Feigheit vor den Freunden erst recht nicht: That's life – Juhnkes Abschiedsprogramm wird im Friedrichstadtpalast wiederholt. Einen Tag vor dem 9. November.
Das wird ein Spaß! Deutsche aus Ost und West liegen sich glücklich vereint am Tränenpalast in den Armen, später torkeln sie zu Honeckers Brot-und-Spiele-Arena, die 80 Deutschmark teure Karte fest in den klammen Fingern haltend. Dann stürmen sie den Saal, der den provinziellen Mief ostdeutscher Prunksucht atmet, streiten sich um die besten Plätze, obwohl diese reserviert sind, und grölen: Harald, Harald, Harald. Aber es kommt nicht Kohl, nicht Juhnke, nicht Schmidt – sondern Smith. Die Jazzsängerin Jocelyn B. Smith. Und dann wagt sich die schwarze Schmitten auch noch zu singen: auf Ausländisch, und über Mackie Messer. Das Publikum, alle um die 60, versteht nur Bahnhof.
Was aber das hochverehrte Publikum nicht kennt, das will es nicht. Und schon gar nicht am Abend vor dem großen Tag des Volkes. Die Möchtegern-Rentner toben, buhen, schreien: Schweinerei, Geld zurück. Nie wurde deutlicher, was Marlene Dietrich damit meinte: Deutschland, nie wieder! Harald sei Dank!
Dennoch wird Harald Juhnke alles versuchen, sein – ja: sein – Publikum zu besänftigen. Er wird den Hauptmann von Köpenick, schnoddrige Kalauer und alte Schlager zum Besten geben. Aber es nützt nichts! Das Volk – es ist aufgebracht und so einfach nicht mehr zu besänftigen.
Juhnke hat keine andere Wahl, als cool zu bleiben. Er wird also – wie weiland Stefan Effenberg und Oskar Lafontaine – dem Publikum sagen, was es hören will: Leckt mich am Arsch!
Ein Problem aber hat Harald Juhnke bis zum 8. November zu lösen. Irgendetwas muss sich der Entertainer einfallen lassen, diese Show durchzustehen. Prost, Harald! Richard Rother
Meldung Seite 20
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