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■ KommentarSpäte Einsicht  Die Wehrmachtsausstellung wurde Opfer ihres Erfolges

Der Entschluss, für die Wehrmachtsausstellung eine Auszeit zu nehmen, kommt spät, aber nicht zu spät. Er ergibt sich als Konsequenz des jähen Klimawechsels in der Medienöffentlichkeit, die quasi über Nacht aus gefeierten, zumindest aber geachteten Aufklärern eine Fälscherbande zu machen versuchte. Die Aussteller haben erkannt, dass ihr Kernanliegen – den Vernichtungskrieg im Osten und die Rolle der Wehrmacht dabei darzustellen – in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Sie wollten sich deshalb nicht nur mit den mehr oder weniger erzwungenen Fall-zu-Fall-Korrekturen begnügen. Der jetzt von ihnen eingeschlagene Weg wird den Anforderungen gerecht, die sie an sich selbst und andere gestellt haben.

Von heute aus gesehen fällt es leicht, eine Erklärung für die allzu große Zurückhaltung zu finden, mit der Ausstellungsleiter Hannes Heer und seine Mitarbeiter auch auf berechtigte Kritik reagiert haben. Sie waren im Handgemenge, konnten oder wollten nicht mehr unterscheiden zwischen böswilligen, politisch motivierten Attacken und einer scharfen fachlichen Kritik, die sich aber mit den Intentionen der Ausstellung deckte.

Und: Heer und Co. wurden zu Opfern des eigenen Erfolgs.

Nach wie vor erscheint es als ebenso sinn- wie verdienstvolles Unterfangen, mit der Hilfe von Texten und Bildern, eben in der Form einer Ausstellung, gegen die Legende von den sauberen Händen der Wehrmacht vorzugehen. Darüber sich heute ein Urteil zu bilden ist nicht nur Aufgabe der Fachwissenschaft, sondern der Öffentlichkeit. Zu Recht hat Hans-Jochen Vogel darauf hingewiesen, dass erst die Ausstellung und die Auseinandersetzungen um sie bei vielen Besuchern Rückbesinnung, Nachdenken, ein Gespräch zwischen den Generationen ausgelöst hat.

Es ist außerordentlich unfair, hier nur von einem emotionalen Maximalschock ohne intellektuelle oder moralische Konsequenzen zu sprechen.Wünschenswert wäre allerdings, wenn die Hamburger Ausstellungsmacher die trügerische Wahrheit der Bilder selbst zum Gegenstand der revidierten Ausstellung machen würden, wenn sie, mit anderen Worten, ihren eigenen Lernprozess dokumentierten. Dann würde mehr als bisher neben das Erschrecken die Erkenntnis treten.

Christian Semler

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