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■ KommentarDialektik der Öffnung  Mit dem WTO-Beitritt riskiert die KP Chinas ihre Macht

Die KP-Führung Chinas riskiert mit ihrem gestrigen Votum für die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO alles, was ihr in 50 Jahren Alleinherrschaft die Macht gesichert hat. Denn mit der Liberalisierung der Telekommunikation wird sie auf Dauer die Kontrolle über den Informationsfluss ins Reich der Mitte verlieren. Langfristig wird die KP – bedingt durch das Internet – so die direkte Kontrolle über die Massen einbüßen.

Ebenso bahnbrechend sind die Vereinbarungen in den traditionellen Industriesektoren: Dass China stufenweise seine Auto-, Elektronik- und Maschinenmärkte öffnen wird, bedeutet den endgültigen Ruin der maoistischen Staatswirtschaft innerhalb eines Jahrzehnts. Überleben werden nur die bis dahin verschlankten und in neue Eigentumsformen überführten Betriebe. Über 20 Millionen neue Arbeitslose haben die alten Industriemoloche allein in den letzten zwei Jahren ausgespuckt – es werden noch einmal doppelt und dreimal so viel sein, denen Chinas neue Marktwirtschaft eine Perspektive bieten muss. Noch größer sind die Risiken im Agrarbereich: Wenn die US-Konkurrenz in China ausrichtet, was der europäische Markt derzeit den Kleinbauern Osteuropas abverlangt – nämlich die Reorganisation in mechanisierten Großbetrieben –, dann steht in China eine ungeheure Landflucht bevor. Noch ist jeder siebte Bewohner dieser Erde ein chinesischer Dörfler. Hat jemand für sie einen Platz in den Städten parat?

Und dennoch hat Peking keine andere Wahl, wenn es den 1979 begonnenen Reformkurs fortsetzen will. „China zur Welt öffnen“ hieß damals die Maxime, und so heißt sie auch heute noch. Jiang Zemin hat sich gestern erstmals unwiderruflich zu ihr bekannt. Das ganze Jahr lang zögerte er. Jetzt bescheingt ihm UN-Generalsekretär Kofi Annan, der Universalität des internationalen Handelssystems einen großen Dienst erwiesen zu haben.

Universalität ist der Leitbegriff, dem China bisher nicht folgen wollte. Ob mit abschreckenden Interpretationen der Menschenrechte oder Verweisen auf die eigene historische Größe – China stand unter gelben wie roten Kaisern immer für sich. Es hatte seine eigene Geschichtsschreibung und seine eigene Theorie der Weltrevolution. All das wird heute relativiert: China wird zu einem von 134 Ländern in der WTO. Georg Blume

Berichte Seite 9

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