Kommentar: Chance für die Demokratie? ■ Die Wahlen in Russland sind Zeichen der Hoffnung
Russland überrascht immer wieder. Soeben schien Moskau den Kurs Richtung Westen zu verlassen: Der Krieg in Tschetschenien und die antiwestliche Außenpolitik ließen die Umrisse eines neuen Kalten Krieges erahnen, derweil der Westen sich schon auf die Launen des tönernen Kolosses einzustellen begann. Die Duma-Wahlen indes hellen das Bild ein wenig auf. Kehrt das geschwächte Riesenreich nun doch wieder auf den Kurs, den es Anfang der 90er-Jahre eingeschlagen hat, zurück? Russland hat in der Geschichte schließlich kaum einen Umweg ausgelassen. Wenn der Ausgang der Duma-Wahlen zur Hoffnung Anlass gibt, dass nun wieder eine Kurskorrektur folgt, dann haben die Wähler mit ihrem Votum den Kurs Boris Jelzins korrigiert.
Zugegeben, Russland ist bei weitem keine perfekte Demokratie. Die Schlammschlachten des Wahlkampfs kannten keine Hemmschwellen. Russlands politische Elite bekämpfte sich bis aufs Messer und scheute vor keiner Lüge zurück. Aber: Schon die Selbstverständlichkeit, mit der allen Zweiflern zum Trotz gewählt wurde, deutet an, wie viel sich in Russland geändert hat. Wie oft wurde der Kreml verdächtigt, den Ausnahmezustand zu verhängen oder die Wahlen verhindern zu wollen? Nichts von alledem: Wider alle üble Nachrede westlicher Beobachter – und manch ein Vorbehalt ist ja begründet gewesen – haben Russlands Politiker sich einigermaßen an ihre eigenen und die Regeln der formalen Demokratie gehalten. Das war vor den Duma-Wahlen 1995 in der tausendjährigen Geschichte des Landes nie der Fall. Indes darf nicht verschwiegen werden, dass der Kreml sich den Zuspruch vieler seiner Kritiker und Zweifler mit dem Kriegszug im Kaukasus sicherte.
Die künftige Duma hat die Chance, Russland auf den Kurs wirklicher Reformen zu bringen. Freilich müssen einige Kräfte mit zweifelhafter Reputation nun zeigen, dass ihr Bekenntnis zu Demokratie und Marktwirtschaft nicht nur einen edel maskierten Griff zur Macht darstellt.
Damit werden sie die Präsidentschaftswahlen beeinflussen – und auch daran werden Premierminister Putin und der designierte Thronfolger Jelzins gemessen. Bringt er den Mut auf, nicht nur im fernen Kaukasus aufzutrumpfen, sondern auch dem schamlosen Eigennutz der Oligarchen und Provinzfürsten entgegenzutreten. Klaus-Helge Donath
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