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KommentarDie Mogelpackung ■ Nach der Wahl bleibt allseits alles beim Alten

Was haben Helmut Kohl und Heide Simonis gemeinsam? Offensichtlich nicht ihr Geschlecht, nicht die Partei und nicht das Alter. Doch beide eint eine spezifische Form des Glücks: Der historische Zufall meinte es gut mit ihnen. 1990 konnte Kohl der Wende danken, dass er nicht auf der Oppositionsbank Platz nehmen musste; jetzt, zehn Jahre später, revanchierte er sich. Sein Spendenskandal rettete Heide Simonis vor einem unfreiwilligen Abgang aus der Regierung.

Schleswig-Holstein war die Neuauflage eines sattsam bekannten Phänomens: Wieder einmal hatten wir es mit einer Landtagswahl zu tun, die diesen Namen nur verdient, weil in der Tat ein Landtag gewählt wurde. Ansonsten spielten die Landesthemen keine Rolle. Es war eine Meinungsumfrage zur Lage der Nation.

Die Ergebnisse dieser repräsentativen Marktforschung zur Akzeptanz der politischen Produkte: Unerwartet deutlich sind die Grünen wieder drin im Landtag. Es wird für Rot-Grün reichen – euphorische Freude, auch wenn es nur eine Atempause im Strukturwandel der Grünen ist.

Euphorisch ist auch die FDP. Noch in den Sommerumfragen hoffnungslos abgeschlagen, ist sie zur drittstärksten Partei im Landtag aufgestiegen. Die Treue der hessischen FDP zum Lügner Koch hat nicht geschadet. Im Gegenteil: Die schizophrene Taktik der multiplen Parteien-Persönlichkeit ist aufgegangen. Vor Ort folgte man den eigenen Machtinteressen, um dies durch bundesweites Entsetzen des FDP-Vorstandes zu kompensieren.

Kommen wir nun zum eigentlichen Star des Abends: Volker Rühe. Seine sichere Niederlage wollte er zum Sieg ummünzen. Ein riskantes Spiel: Ganz im Stile Schröders hatte er eine besondere Offerte an die Schleswig-Holsteiner unterbreitet. Ihre Wahl sollte gleichzeitig auch über den neuen CDU-Vorsitzenden entscheiden. Mindestens 37 Prozent waren sein selbst gestecktes Ziel – also so viel oder mehr als bei der letzten Landtagswahl für die CDU. Rühe hat dieses Ziel knapp verfehlt. Knapp – das betont auch die CDU mit Nachdruck. So war die Offerte an die Schleswig-Holsteiner wahrscheinlich nur eine Mogelpackung. Es war und bleibt ausgemacht, dass nicht Merkel die CDU erneuert; die meisten Christdemokraten wollen mit Rühe unverändert erkennbar bleiben. Trotz der Niederlage.

Ulrike Herrmann

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