Kommentar: Wahn ohne Ende
■ Warum die Kommunistenangst noch immer in manchen Köpfen spukt
Der „Radikalenerlass“ und die daraus resultierenden Berufsverbote sind eines der düs-tersten Kapitel der bundesdeutschen Geschichte. 1972 wurde er vom sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt und den Ministerpräsidenten ausgeheckt. Das Produkt der Wahnvorstellungen von allüberall lauernden subversiven Kommunisten sollte die aufmüpfigen 68er disziplinieren, die sich damals in diverse Grüppchen des linken Spektrums aufsplitterten.
11.000 Berufsverbotsverfahren vor Gerichten waren die Folge, die Geheimdienste lieferten 35.000 Personendossiers als Ergebnis von 3,5 Millionen Überprüfungen, Bespitzelungen und Abhöraktionen. Auch in Hamburg lauschte der Verfassungsschutz an tausenden Telefonen und verwanzte hunderte Kneipen. Wer als Verfassungsfeind galt, durfte nicht mal mehr Post austragen, die BRD wurde zum international geächteten Schnüffelstaat.
Auch wenn Ende der 70er Jahre viele Politiker sich vom Radikalenerlass abzuwenden begannen, von „Irrtum“ und „Fehler“ sprachen, ist die Praxis nie offiziell revidiert worden. So konnte auch noch 1985 der Zollbeamte Uwe Scheer suspendiert werden. Auch wenn dieses Berufsverbot mittlerweile zurückgenommen ist und Scheer als Angestellter wieder beim Zoll arbeitet, hat er das Recht auf volle Rehabilitierung.
Notfalls auf Anordnung seiner obersten Dienstherrn, des Bundesfinanzministers. Sonst müssen sich die Verantwortlichen den Vorwurf gefallen lassen, nich immer unter Kommunistenwahn zu leiden.
Kai von Appen
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