Kommentar: Scheinheilig
■ Warum die Filzdebatte in der Bürgerschaft ebenso kurzweilig wie scheinheilig geriet
Das war kurzweilig, das war lebhaft und streckenweise erfrischend polemisch. Die Bürgerschaftsdebatte über die ersten Filzvorwürfe an die Schill-Partei, von findigen Sozialdemokraten bereits als „Schillz“ etikettiert, war auch berechtigt. Und zugleich in weiten Teilen scheinheilig. Von allen Seiten. Da stellen sich die Regierungsfraktionen des Rechtssenats hin und leugnen sämtliche Vorwürfe mit einer Überheblichkeit, die sie bislang ebenso gerne wie häufig und zudem mit Recht der real regierenden Sozialdemokratie attestiert hatten. In diesem Punkt zumindest hat Schwarz-Schill die Mentalität der Herrschaft bereits angenommen. Bloß nichts zugeben, alles abstreiten und mit dem Finger auf die anderen weisen. Zugleich trieb sie die Unverfrorenheit auf einen Gipfel, an den selbst die SPD zu ihrer schlimmsten Zeit sich nie getraut hat. Unter den Augen Innensenator Schills durfte dessen Büroleiter Nockemann in seiner zweiten Persönlichkeit als Abgeordneter die Abschaffung der Polizeikommission fordern - und damit alle Filzvorwürfe der Opposition bestätigen. Scheinheiliger gehts nicht. Keine überzeugende Vorstellung aber auch der SPD. Die Wandlung derer, die vor der verlorenen Wahl das Wort Filz nicht zu ihrem aktiven Wortschatz zählten, zum größten Feind des Filzes anderer ist so rasant, dass mensch mit dem Staunen nicht mehr hinterherkommt. Der Verdacht bleibt, dass es der SPD um das taktische Austeilen politischer Ohrfeigen ging. Ein überzeugender Nachweis der politischen Läuterung war dies noch nicht. Sven-Michael Veit
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