Kommentar: Resteverwertung
■ Warum die FOS-Schließung langfristig bedenkenswert, aber kurzfristig eine Unverschämtheit ist
Mag sein, dass Geld die Welt regiert. Doch noch ist der Handelskammerpräsident qua Amt nicht automatisch auch der Bürgermeister, der Arbeitgeberpräsident nicht Deutschlands Bundeskanzler. Also gibt es eigentlich auch keinen Grund, dass Bildungssenator Rudolf Lange der Handelskammer jeden dienstfertigen Wunsch umgehend erfüllt. Natürlich ist es absurd, dass die Kammer in Mecklenburg-Vorpommern um Auszubildende werben muss, um ihre Stellen zu besetzen. Und natürlich darf man über den Sinn von Schulen nachdenken, die den Beginn einer Ausbildung herauszögern, obwohl das nicht nötig mehr ist.
Aber die Fachoberschulen sind viel mehr als Aufbewahrungsanstalten. Sie sind ein Stück Zweiter Bildungsweg, sie geben Chancen auf höhere Abschlüsse. Nur weil die Handelskammer darüber beleidigt ist, dass ihre Angebote sich offenbar nicht mit den Vorstellungen der Jugendlichen decken, darf doch ein Bildungssenator nicht jungen Menschen Bildungschancen nehmen.
Und wenn er über einen Umbau des Schulsystems nachdenkt, dann, bitte schön, ein bisschen länger und gründlicher. Denn um die Lehrstelle seiner Wahl kümmert man sich ein Jahr im voraus, nicht vier Monate. Und wer ist der Senator, dass er junge Menschen zwingt, einfach irgendeinen übrig gebliebenen Beruf zu lernen, nur weil Freund Handelskammer das so wünscht? Ein ungeliebter Job zieht am Ende eine noch viel längere Flucht zu einem anderen nach sich. Und außerdem haben wir in diesem Land das Recht auf freie Berufswahl. Eigentlich. Sandra Wilsdorf
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