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Kommentar zur SPD-SparwendeInkonsequente Selbstgeißelung

Kommentar von Stefan Alberti

Berlins SPD-Chef Michael Müller sollte, bevor er übers Sparen klagt, erst mal die eigene Einnahmepolitik geißeln.

S oso, Rot-Rot ist also mit seiner Sparpolitik übers Ziel hinausgeschossen! Und will das korrigieren, beispielsweise bei den Kitas. Meint Michael Müller, der SPD-Landes- und Fraktionschef. Das klingt nach Einsicht - und ist doch an Inkonsequenz kaum zu überbieten. Denn die gleiche SPD, die sich hier fürs Sparen geißelt, wirft gerade bei den Kitas Millionen Euro zum Fenster raus, indem sie ohne Not auf Kita-Gebühren verzichtet.

Zu hart gespart

SPD-Partei- und -Fraktionschef Michael Müller hält Korrekturen in der Sparpolitik der rot-roten Koalition für erforderlich. Man habe zugunsten der Haushaltskonsolidierung Fehler gemacht und einige Bereiche vernachlässigt, sagte Müller der Berliner Zeitung. Es gebe "Entwicklungen, die wir korrigieren müssen, besonders bei Schulen, Kitas, Hochschulen und im Straßenbau. Auch dort wurde hart gespart und mitunter über das Ziel hinausgeschossen." Bei allen Fehlern sei das harte Umsteuern in der Ausgabenpolitik aber richtig gewesen, fügte der SPD-Politiker hinzu. Die Mentalität, sich mehr zu leisten, als man bezahlen kann, habe zu dem 60-Milliarden-Schuldenberg Berlins beigetragen. Die Haushaltspolitik habe Spielräume geschaffen, die man jetzt nutzen könne. Angesichts vielfacher Rufe nach staatlichen Rettungsprogrammen forderte Müller mehr Eigenverantwortung derjenigen, die die Finanzkrise verursacht haben. "Ich fände es politisch falsch, den Staat über Gebühr in die Pflicht zu nehmen", sagte er. "Es gibt Verantwortliche für die Wirtschaftskrise, und ich lehne es ab, jegliches Fehlverhalten irgendwelcher Manager und Banker nachträglich mit Geld der Steuerzahler zu belohnen." DDP

37 Millionen Euro jährlich kostet es, alle Eltern von Kita-Gebühren zu befreien. Das sind 37 Millionen Euro, die erst mal im Budget für die Kitas fehlen - jeder Euro ein neuer Löffel weniger in der Besteckschublade. Das lasse sich voll ausgleichen, hat die SPD versichert. Das zeigt aber bloß: Ohne den Verzicht hätte man 37 Millionen Euro mehr, um Kitas aufzumöbeln und dringend benötigtes Personal einzustellen.

Natürlich war es vom Ansatz her gut, jenen die Kosten zu erlassen, für die auch noch geringe Beiträge zu hoch sind. Aber wieso gilt das für alle? Wieso verzichtet das Land freiwillig darauf, vom 50.000-Euro-Verdiener monatlich 195 Euro für einen Ganztagsplatz zu kassieren, vom Spitzenverdiener über 400 Euro?

Insofern sollte Müller, bevor er übers Sparen klagt, erst mal die eigene Einnahmepolitik geißeln. Wer Millionen verschenkt, der konterkariert eine weitgehend sinnvolle Sparpolitik. Noch könnte die SPD davon abrücken, nach dem dritten auch das erste und zweite Kita-Jahr gebührenfrei zu machen. Hoffnung darauf gibt es aber kaum: Daran werde nicht gerüttelt, hat sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gerade erst festgelegt.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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