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Kommentar zur PiratenparteiEine echte Gefahr für die Grünen

Kommentar von Sebastian Heiser

Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass der Rechtsstaat auch online gilt. Andere Parteien haben das Thema verschlafen - und müssen jetzt mit der neuen Konkurrenz leben.

D ie Piratenpartei ist die neue Bewegung für Bürgerrechte im 21. Jahrhundert. Während viele Politiker noch nicht wissen, wie sie das Internet bedienen sollen, weisen die Piraten auf Zensur und andere Einschränkungen hin. Ihr Credo: Das Internet darf kein bürgerrechtsfreier Raum sein. Andere Parteien - und auch die Medien - haben das Thema dagegen lange verschlafen.

Etwa bei dem Gesetz, mit dem die große Koalition den Zugang zu Kinderpornografie im Internet erschweren wollte. Und dabei ein gutes Anliegen mit den falschen Mitteln verfolgte: Eine Behörde soll entscheiden, welche Webseiten gesperrt werden. Ein unabhängiges Gericht wird nicht beteiligt. Die konkreten Kriterien bleiben unklar. Die Entscheidung wird nicht veröffentlicht.

Über so ein Geheimverfahren sollte sich unter normalen Umständen ein Sturm der Entrüstung erheben. Doch im Bundestag haben 15 Grüne mit "Enthaltung" gestimmt statt mit "Nein". Bei vielen Leuten kam das so an, als ob diese Abgeordneten sich gedacht hätten: Ist ja eh nur das Internet. Ging es nicht lange Zeit auch ganz gut ohne? Und steht da nicht ohnehin viel Schund?

Das Ergebnis: Die jungen Kreativen und Wissensaustauscher strömen jetzt eben in eine eigene Partei, die in Berlin stetig neue Anhänger gewinnt. Bei der Europawahl stimmten bereits 1,4 Prozent für die Piraten, in Friedrichshain-Kreuzberg sogar 3,4 Prozent.

Die Partei schöpfte dabei kräftig aus der Klientel der Grünen und der Liberalen. Sie sind damit zum Stachel im Fleisch der anderen Parteien geworden - ähnlich, wie die Grünen es einmal waren. Die müssen nun ihren Kurs ändern - oder damit leben, dass es eine neue Konkurrenz gibt.

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16 Kommentare

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  • OU
    Oli U.

    Der Überschrift dieses Kommentars fehlt ein wesentliches Element: das Fragezeichen.

     

    Solange die Piratenpartei nicht eindeutig zu grünen Kernthemen (Atomausstieg etc.) Stellung bezieht, werden viele grüne Wähler die Piraten nicht als Alternative in Betracht ziehen können. Die Piraten sollten auch in der Energiepolitik auf langfristige Unabhängig setzen. Digitale Kultur beruht schließlich auf Strom.

  • R
    Richter169

    Erst mal eines, die WASG hat sich auch vor der letzten Bundestagswahl gegründet und kurz vor der Bundetagswahl ist sie eine Vereinigung eingangen mit der PDS. So sind sie in den Bundestag gekommen. Es gab also vo der letzten Bundestagswahl eine Erfolgreiche Parteingründung.

     

    Zum andere, dem Fall Thiesen,da hat die Piratenpartei ja ganz klar jetzt Stellung bezogen und ihn klar gemacht, was sie von ihn erwartet. Also seid Fair. Ich meine das wir sehen müssen wie sich das entwickelt. Aber dabei dürfen wir eines nicht aus den Auge verliehren, wir müsse aufpassen mit der Internetzensur. Die kommt. Dazu wollen das zuviele in der Regierung. Es gibt einen Brief von 31 Abgeordneten, die zugestimmt haben. In den Brief nennen sie ihre Gründe. Demnach hätten sie in Grunde mit Nein stimmen müssen.

     

    Das Überlegt euch und Überlegt euch wer jetzt uns noch schützen kann, vor der Zensur.

     

    Bis dann

    LG von Richter169

  • KK
    Klaus-Dieter Käser

    Na und wenn schon, obskure Leute waren bei den GRÜNEN Anfangs der 80er auch zu Hauf dabei. Rechte, vermeintlich Rechte, Kommunisten aller Schattierungen, Normalos und Spiessbürger ohne Ende, und trotzdem hat das nicht gereicht, sie kaputt zu kriegen. Im Gegenteil: Sie haben sich - vielleicht auch deshalb - durchgesetzt. Durchgesetzt jedenfalls auch, weil Ihre Themen nicht nur vom Zeitgeist getragen waren, sondern auch nachhaltig. Und zu lange nicht Ernst genommen wurden, von denen, die das Sagen hatten. Heute sagen die GRÜNEN mit. Und vergessen, neue Themen Ernst zu nehmen.

    Bei den PIRATEN kann das ähnlich werden. Die Bürgerrechte sind zu lange kein wirkliches Thema gewesen, übers Internet schwappen sie jetzt wieder zurück ins reale Leben - und brauchen dort auch eine parlamentarische Vertretung. Die Grünen wollten das nie wirklich ernsthaft (nur einige wenige), die FDP waberte meist nur rum, machte aber nie Ernst, weil andere Themen wichtiger scheinen.

    Also: "Klarmachen zum Ändern" - ein schöner Slogan. Lasst ihn wahr werden.

  • J
    jaja

    @peter:

    Bevor man hier wieder von irgendeinem Unfug erzählt, sollte man sich doch erstmal mit der Thematik beschäftigen. Herr Theissen wurde nicht "jubelnd als mitglied" aufgenommen, sondern ist vielmehr schon seit einiger Zeit dabei. Evt. verwechseln Sie aber auch nur den "ehrenwerten herrn theissen" (Stichwort Holocaust-Leugner) mit dem guten Herrn Tauss (Stichwort Kinderpornografie). Das der noch sehr jungen Partei hier einige Fehler unterlaufen sind (nicht nur in der Aussendarstellung sondern auch in der Information ihrer Mitglieder vor den Wahlen auf dem BPT) und so der "ehrenwerten herr[n] theissen" zum stellvertretenden Schiedsrichters gewählt werden konnte, sollte jedem klar sein. Durch die schnelle Stellungnahme des Vorstandes sollte aber auch klar sein, dass die Piraten Partei eben kein Auffangbecken für Menschen mit braunem Gedankengut ist...

  • O
    osiris

    Fall Thiesen:

     

     

    Bodo Thiesen wurde von der Piratenpartei heute letztmalig aufgefordert, dass er sich von seinen getätigten Äusserungen betreffs des Holocausts "eindeutig und endgültig" zu distanzieren habe.

     

    Sollte dies nicht binnen 24h (ab heute) geschehen, so werden die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

     

    http://piratenpartei.de/node/810

  • T
    Tom

    Weil Thiesen erwähnt wurde:

    1)

    Der Vorstand distanziert sich ausdrücklich von den Äußerungen:

    http://piratenpartei.de/node/810

    2)

    Es gab bei der Wahl so viele Neuzugänge, dass

    vielen der Herr schlichtweg unbekannt war.

  • A
    Achim

    Die Ansage vom Piratenvorstand zum Thema Thiesen:

     

    http://piratenpartei.de/node/810

  • F
    Frank

    Zu den Vorwürfen um Herrn Theissen hat der Bundesvorstand der Piratenpartei eine Stellungnahme veröffentlicht. Die Piraten sind keine Partei, die Holocaustleugner in ihren Reihen duldet.

     

    http://piratenpartei.de/node/810

  • K
    Klaus

    nun ja, so mancher ansatz ist durchaus bedenkenswert, aber obskure persönlichkeiten, wie den "ehrenwerten" herrn theissen, jubelnd als mitglied aufzunehmen,lässt an der seriösität oder an der urteilsfähigkeit zweifeln. und an mangel an nur einem dieser kriterien ist für mich ein absolutes "no go". schade, dass sich manche leute in ihrem blinden eifer selbst ein bein stellen.

  • DR
    Dr.Axel Ridder

    Die Piratenpartei koennte viele Stimmen von der FDP und den grossen Parteien abziehen, wenn sie die Idee des DREIPERSONENWAHLKREISES von www.2009-de.com adaptieren wuerde. Sie waere dann das Zuenglein an der Waage. Die Empoerung ueber die Verfassungswidrigkeit der Ueberhangmandate muesste sie ausnuetzen und dann gleichzeitig einen demokratischen Ausweg zeigen.

  • HS
    Henning Schmidt

    Eine Partei die Holocausleugner ins Schiedsgericht wählt diskreditiert sich hoffentlich eher bei den Jungen Kreativen und Liberalen statt den Grünen den Rang abzulaufen.

    Infos zum Fall Thiesen

     

    http://de.indymedia.org/2008/05/217491.shtml

  • I
    Inyah

    @Sven

     

    also als Jahrgang 80 war ich damals nicht dabei...

    worauf ich hinaus wollte: die Grünen waren damals - und heute natürlich erst recht - sehr viel breiter aufgestellt und eben nicht nur eine "ein-Thema-Partei". Ich habe ja nicht geschrieben, dass das Experiment nicht erfolgreich sein kann. Ich beurteile die Erfolgsaussichten nur sehr negativ. Das liegt auch daran - und sorry, wieder ein Vergleich mit den Grünen, aber das ist nun mal die einzige erfolgreiche Parteineugründung bis jetzt - dass die Demographie sich seit damals gewaltig geändert hat. Während die Grünen damals mit 25% der Jungwähler unter 30 knapp die 5%Hürde geschafft haben, würde dieselbe Zahl heute nicht mehr reichen. Denn 2005 waren nur noch knapp 19% der WählerInnen unter 35.

  • S
    Sven

    "wurden die Grünen 79 aus mindestens vier breiten Bewegungen gegründet" ... eine typische Aussage, basierend auf der Prämisse, daß die Dinge sich in den vergangenen 30 Jahren nicht geändert hätten.

     

    "Bewegung" geschieht längst im Netz, längst spontan, ad-hoc, dezentral und wechselnd. Versteht nicht jeder, der 79 dabei war ... und gerade das ist ein zentraler Punkt.

     

    The times they are a changin ...

  • B
    budapi

    Auch bei den Piraten gibt es teils schon mehrere Jahrzehnte Vorlauf. Da wäre die Bewegungen zur Abschaffung des Copyrights bzw. Reformation des Urheberrechtsgesetzes, Datenschützer, Proponenten freier Software und daraus folgend freier Produktion (im nicht-marktradikalen Sinn), Wissensgesellschafter, und Kryptoanarchisten. Und seit neuestem auch noch kriminalisierte Computerspieler und Zensurgegner.

     

    Wenn das mal nicht inhomogen ist...

  • I
    Inyah

    Naja, der Vergleich mit den Grünen irritiert doch: Während die Piraten jetzt sehr spontan und ohne breite Verankerung - sowohl personell als auch inhaltlich - den Erfolg suchen, wurden die Grünen 79 aus mindestens vier breiten Bewegungen gegründet: Anti-AKW, Frauen-, Frieden- und Umweltbewegung. Gleichzeitig gab es einen ziemlich langen zeitlichen Vorlauf. Ich bin skeptisch, ob die zeit der Piraten - bei allem berechtigtem Anliegen -schon reif ist.

  • A
    alcibiades

    Doch, doch, den Sturm der Entrüstung gab es. Den "Entscheidern" war es bloss schnuppe, dass sich zB in kürzester Zeit 130000 Menschen gegen den Gesetzentwurf aussprachen, und das war ja noch nicht alles. Und noch was: wenn Frau von der Leyen und ihre Helfershelfer ein "gutes Anliegen mit den falschen Mitteln" verfolgten, dann fress ich einen Besen. Wenn das nur Ahnungslosigkeit und kein böser Wille zur Implementierung von Zensurwerkzeugen war, dann disqualifizieren sich diese Leute auch, so oder so.