Kommentar zum Zugunglück in Hordorf: Übersehenes Warnsignal
Es gibt technische Möglichkeiten, die Bahn noch sicherer zu machen. Hier müssen DB und Staat nachrüsten – selbst wenn Zugfahren dadurch etwas teurer wird.
W enn ein Reisebus eine Böschung hinabstürzt und dabei zehn Menschen sterben, dann gehört das zum alltäglichen Verkehrsrisiko – so etwas passiert eben manchmal. Wenn aber ein Güterzug frontal mit einem Personenzug zusammenknallt, wie am Wochenende in Sachsen-Anhalt geschehen, fragt man sich, wie so etwas geschehen kann.
Denn die Bahn gilt in Deutschland als vergleichsweise sicheres Verkehrsmittel. Sie kann und muss aber noch sicherer werden. Das sind die Bahn und der Staat nicht nur den Toten und Verletzten der Katastrophe von Hordorf sowie deren Angehörigen schuldig.
Viel spricht dafür, dass menschliches Versagen zu diesem tragischen Unfall geführt hat. Möglicherweise hat der Lokführer eines Güterzuges ein Stoppsignal übersehen, so dass sein Zug auf eingleisiger Strecke frontal in einen entgegenkommenden Regionalzug fuhr. Dabei gibt es eine Technik, die solche Fehler ausbügeln kann: Es ist die Punktförmige Zugbeeinflussung. Sie sorgt dafür, dass ein Zug automatisch bremst, wenn er ein Stoppsignal überfährt.
RICHARD ROTHER ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt.
Auf relevanten Strecken in Westdeutschland gehört diese Sicherungstechnik zum Standard. Doch in Ostdeutschland fehlt sie noch vielerorts, denn die vielen Investitionen in die Infrastruktur der neuen Bundesländer flossen an diesem Bereich oft vorbei: Hier gibt es Nachholbedarf.
Gesetzlich vorgeschrieben ist diese Technik aber auch nur für Strecken, auf denen Tempo 100 oder mehr gefahren wird. Warum eigentlich? Wenn zwei Züge mit einer Geschwindigkeit von jeweils 80 Kilometer pro Stunde frontal ineinander rasen, wie es in Hordorf geschah, sind die Folgen gravierend.
Die Bundesregierung muss nun dafür sorgen, dass dieses Sicherungssystem auf allen Strecken, auf denen reger Verkehr herrscht, bald eingebaut wird. Das würde das Bahnfahren zwar etwas teurer, aber eben auch sicherer machen. Dafür könnte die Bahn ja auf das eine oder andere teure Prestigeprojekt verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“