Kommentar zum Grab von Rudolf Heß: Das Meer ist geduldig

Die Knochen von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß wurden aus dem Grab in Wunsiedel genommen und verbrannt. Damit ist das Problem aber noch nicht gelöst.

Dort wo einst der Grabstein von Rudolf Hess stand, ist jetzt nur noch Erde. Bild: dapd

Die Lösung ist elegant. Um dem ekelhaften Treiben am Grab des Massenmörders Rudolf Heß ein Ende zu setzen, haben die Angehörigen zugestimmt, die Knochen des Kriegsverbrechers zu verbrennen. Damit ein für alle Mal Schluss ist mit Aufmärschen und Gedenkfeiern von Neo-Nazis im oberfränkischen Wunsiedel, soll die Asche im Meer verteilt werden.

Gedenktage und Gedenkstätten erfüllen wichtige Funktionen. Nicht nur nazistische Organisationen brauchen sie als Kristallisationspunkte, als Orte und Momente der Selbstvergewisserung. Diese Fixpunkte, auf die die Mitglieder hinleben, stärken die Struktur nach innen und demonstrieren Stärke nach außen. Insofern ist es, wie bei Osama bin Laden, eine gute Lösung, die Asche von Heß unauffindbar zu versenken.

Als Stellvertreter Hitlers war Heß eine wichtige Brückenfigur in dieses Jahrtausend für all die armen Hirne, die aus den Verbrechen der Nazis bis heute keine Lehre ziehen wollen. Der Mann mit den buschigen Augenbrauen, der sich 1987 im Spandauer Gefängnis das Leben nahm, wurde zur unbeugsamen Projektions- und Gallionsfigur, auch für die übernächste Generation. Insofern wird es die neonazistischen Organisationen durchaus treffen, dass es diesen Ort nicht mehr geben wird. Das ist gut.

Naiv wäre es aber zu glauben, die Grabauflösung wäre ein Großreinemachen, das die Probleme aus der Welt schaffe. Auch wenn nun die eine oder andere Zusammenkunft in Wunsiedel nicht mehr stattfindet, die Schergen sind nicht weg. Sie werden sich neue Orte und Wege für ihr menschenverachtendes Handeln suchen. Die Aufgabe, neonazistisches Gedankengut und Gewalttaten von Neonazis zu bekämpfen, ist dadurch nicht kleiner geworden.

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Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)

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