Kommentar zum Einzelhandel: Boykottieren bringt nichts
Weil viele Festangestellte abends zu teuer sind, werden sie im Einzelhandel durch billigere Kräfte ersetzt. Als Kunde kriegt man angesichts dieser Umstände ein schlechtes Gewissen.
Die vor zwei Jahren vom Senat beschlossene Ausweitung der Ladenöffnungszeiten ist gerade für arbeitende Berliner eine angenehme Sache: Man braucht sich nicht mehr zu hetzen, will man erst nach Feierabend noch etwas einkaufen. Nur für die Verkäuferinnen und Verkäufer ist die Sache bekanntlich weniger angenehm. Sie müssen mit stark wechselnden Schichten klarkommen. Weil viele Festangestellte abends zu teuer sind, werden sie zudem durch billigere Kräfte ersetzt. Als Kunde kriegt man angesichts dieser Umstände ein schlechtes Gewissen.
Sollte man deshalb auf das Einkaufen am Abend verzichten? Schließlich lässt sich über die Nachfrage das Angebot regeln. Wenn viele Leute Supermärkte und Kaufhäuser nach, sagen wir, 19 Uhr nicht mehr beträten, würden die bald wieder zeitig schließen.
Theoretisch könnte eine solche konsequente Abstimmung mit den Füßen dazu führen, dass die langen Öffnungszeiten wieder verkürzt würden. Doch abgesehen davon, dass viele Berliner auf den Service nicht mehr verzichten wollen - letztlich hätte niemand etwas davon. Am wenigsten die billigen Arbeitskräfte: Sie würden nur ihren Job verlieren.
Das alte Dilemma: Boykottiert man Firmen, die Menschen zu schlechten Bedingungen und niedrigen Löhnen beschäftigen, schadet man nicht nur dem Unternehmen. Man bringt auch jene, die man eigentlich schützen will, um ihre Arbeitsstelle. Zu deren Ärger: Könnten sie woanders besser ihr Geld verdienen, sie wären längst weg.
Was also lässt sich tun? Die Gewerkschaften stehen Entwicklungen wie der im Einzelhandel häufig ohnmächtig gegenüber. Um Lohndumping zu verhindern, hilft - wieder einmal - nur ein gesetzlicher Mindestlohn.
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