Kommentar zum Berliner Schulessen: Das Erdbeer- Komplott
Erst die Magen-Darm-Epidemie lässt den Senat über den Tellerrand blicken.
W er sich zu lange im Kreis dreht, dem wird schlecht. Genauso fühlen sich viele Eltern mit Kindern in Kita und Schule nach einer Woche Diskussion über das angeblich verdorbene Essen eines Schulcaterers. Was ist geschehen? Wenn man das nur wüsste!
Es fing an mit einer sich rasant ausbreitenden Brechdurchfallerkrankung; offiziell hat es fast 3.000 Kinder allein in Berlin erwischt. Hektisch starteten Bund und Länder die Suche nach den Ursachen, schnell geriet ein Großcaterer ins Visier: Einer seiner Zulieferer soll geschlampt haben. Nun gibt es Hinweise, dass Erdbeerkompott der Verursacher gewesen sein könnte. So oder so bleibt von der unappetitlichen Affäre eine Debatte über die Qualität des Schulessens. Die ist bitter nötig. Aber Anlässe hätte es dazu schon in den letzten Monaten genug gegeben.
Pampe für 2,50 Euro
Je nach Bezirk darf das Schulessen nur 1,90 bis 2,30 Euro pro Portion kosten. Was dafür auf den Teller kommt, mag man sich lieber nicht vorstellen. Kritisiert wird diese geschmacklose Preispolitik schon lange, von Gewerkschaften, Eltern, Lehrern. Es bedurfte aber offensichtlich erst einiger tausend kotzender Kinder, damit die Politik über den Tellerrand hinausschaute. Der Verlauf der Debatte erinnert dabei bisher frappierend an die auf jeden Fleischskandal folgende Aufregung: Kurzzeitig wollen dann alle nur noch Bio essen, zwei Wochen später ist alles vergessen.
Das Verwirrende an der Brechdurchfallerregersuchaktion war, dass damit suggeriert werden sollte: Billig darf Essen schon sein – solange es kontrolliert wird. Das ist natürlich Quatsch mit Soße. Jeder weiß: Du bist, was du isst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind