piwik no script img

Kommentar zu den SchülerdemosÜberschwang, die Pflicht der Jugend

Die Schüler haben bei ihre Demonstration über die Stränge geschlägen. Ihre Forderung nach einer bessere Bildung darf man dennoch nicht ignorieren.

Beinahe hätten die Schüler am Mittwoch die Stadt überrascht. Beinahe hätten sie allein durch die Größe ihrer Demonstration die Öffentlichkeit verblüffen können. Beinahe hätten sie mit ihrem hochsymbolischen Sturm in die Universität ihr Anliegen mediengerecht inszeniert. Und dann hauen sie ausgerechnet eine Ausstellung über die antijüdischen Pogrome 1938 kurz und klein. Wie doof ist das denn?

Doch diejenigen, die die demonstrierenden Schüler nun als jugendliche Wirrköpfe abtun, sind genauso doof wie die Kids, die hier deutlich über die Stränge geschlagen haben. Denn mit ihren bei der Demo vorgebrachten Kernforderungen haben sie Recht, und zwar Punkt für Punkt: Schulen müssen besser ausgestattet werden. Mehr Lehrer sind dafür eine Grundvoraussetzung. Und Studiengebühren sind nichts als unsozialer Quatsch, den neoliberale Elitefans leider in die Hirne der Bildungspolitiker gehämmert haben.

Zwar gab es hier und da auch Forderungen, die manchem ab einem gewissen Alter allenfalls ein müdes Lächeln abverlangen: die Rückkehr des Kommunismus etwa oder die Idealisierung von Revolutionen. Auch die hohe Anzahl leerer Bierflaschen, die die Demonstranten am Wegesrand zurückgelassen haben, ist zumindest irritierend. Doch will oder darf man das als alter Sack tatsächlich kritisieren?

Im Gegenteil. Überschwang, das ist das Recht, vielleicht sogar die Pflicht der Jugend. Deshalb ist es begrüßenswert, wenn Jugendliche ihre demokratischen Grundrechte mit Schwung und Spaß ausleben.

Dass aber auch jugendlicher Überschwang keine Entschuldigung sein kann für die Zerstörung einer Ausstellung zur Pogromnacht 1938, das werden die Jugendlichen noch lernen müssen - am besten in einem gut ausgestatteten Geschichtsunterricht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • T
    Tytte

    Neville hat wohl den letzten Absatz des Kommentars übersehen. Der hängt da auch ziemlich abgeschlagen hinter der Werbeanzeige...

  • M
    mar

    Beim Reden über Faschismus kann alles auch das Gegenteil von allem sein. Neville nimmt -- aus ehrenwerten Motiven -- diese Vorfälle sehr ernst und stellt die SchülerInnen in eine Reihe mit Bücherschändern, KZ-Wärtern, der SS. Ist das nun Mahnen und Warnen, oder ist es gewissenloses Verharmlosen der NS-Greuel? War die NS nur eine Bande Schulkinder, die eigentlich mehr Bildung und Liebe wollte? War Auschwitz nicht schlimmer als die Aula der HU? Ist Neville etwa kein Antifaschist, sondern ein verkappter Ichweißnichtwas...?

     

    Irgendwann wird dieses Rumschieben mit Verdächten und Begriffen heillos lächerlich. Kann man nicht mal aufhören, damit immer wieder anzufangen?

  • R
    rio

    @ Neville

     

    Sie schießen gehörig übers Ziel hinaus. Wer sich auch nur ansatzweise an seine Schulzeit erinnert, sollte wissen, dass jeder in dieser Zeit neben dem Hirn auch eine gehörige Portion Grütze im Kopf hatte. Manchmal erwächst aus dieser Grütze eine neue Vision einer besseren Welt. Manchmal aber bleibt die Grütze einfach Grütze. So wie bei dieser HU-Heimsuchung. Mit Faschismus hat so etwas einfach mal gar nichts zu tun. Nazis finden Sie auch heute noch, aber die sitzen ganz woanders. Weltkriege werden heute wieder geführt, aber sie gehen immerhin nicht von Deutschland aus. Ich bin allerbesten Mutes, dass man auch dieser Jugend eines fernen Tages das Ruder in die Hand geben kann, ohne dabei Angstkrämpfe zu bekommen.

  • GA
    Gereon Asmuth

    Sehr geehrter Neville,

     

    Ihre Wut über die Randalierer in der HU ist durchaus nachvollziehbar. Deshalb habe ich in meinem Kommentar auch hervorgehoben, dass diejenigen, die die Ausstellung zerstört haben, "deutlich über die Stränge geschlagen haben", und dass dies eben nicht mit dem jugendlichem Überschwang zu entschuldigen ist, den ich ansonsten sehr begrüße.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Gereon Asmuth

  • N
    Neville

    Wie 1930 die SA-Truppen haben diese Randalierer gewütet, und Gereon Asmuth nennt das "Schwung und Spaß", der zu begrüßen sei!

    Ich erlaube mir diesen Vergleich zu ziehen, und wer mit Gewalt gegen Sachen anfängt, wird es nicht dabei bewenden lassen. 1933 brannten auf dem Bebel-Platz, just gegenüber der HU, Bücher. 1938 waren es die Synagogen, danach verbrannten die Menschen. Angefangen hatte das alles genauso wie gestern.

     

    Wenn die TAZ es genau so sieht wie Gereon Asmuth, wäre dann vielleicht eine Umbennenung in der STÜRMER angebracht?