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Kommentar zu Wowereits FlugstundeDas richtige Maß geht verloren

Kommentar von Stefan Alberti

Amtsmissbrauch von Politikern zu sanktionieren obliegt nicht Volkes Stimme sondern unabhängige Richtern.

S elten musste man Klaus Wowereit so Recht geben wie in der aktuellen Debatte darüber, was Spitzenpolitiker dürfen und was nicht. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in ein Klima geraten, wo ganz normale gesellschaftliche Kontakte nicht mehr möglich sind“, hat der Regierende Bürgermeister am Dienstag gesagt. Leider scheinen wir auf dem besten Weg zu sein, selbst guten Freunden 150 Euro für eine Übernachtung zahlen zu müssen, wie es vor Monaten in einem Interview mit dem damaligen Bundespräsidenten eine ZDF-Journalistin nahelegte.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Amtsträger, die ihre Macht missbrauchen und Vorzüge gegen Vergünstigungen gewähren, gehören bestraft. Aber dafür ist in Deutschland immer noch eine unabhängige Richterschaft zuständig – und nicht Volkes Stimme, die im Zweifelsfall wenig neutral ist, weil sie „denen da oben“ die Party oder die Ferienwohnung missgönnt.

Privatleben muss sein

Jemand wie Wulff und aktuell Wowereit muss ein Privatleben haben und sich von Freunden einladen lassen dürfen – egal, ob die links oder rechts, arm oder reich sind. Oder Eventveranstalter. Wer mit wem feiert, fliegt oder trinkt, ist nachrangig, so lange dem Gesetz, dem Land und vor allem dem Landeshaushalt dadurch kein Schaden entsteht.

Ein schönes Gegenargument zur angeblichen Beeinflussung lieferte Wowereit auch: Ex-Bahnchef Dürr, dem er nach Logik der Kritiker für den Flug im Privatjet seine Seele verkaufte, habe auf ihn eingeredet, den Flughafen Tempelhof offen zu lassen. Am Columbiadamm sieht es nicht aus, als ob Dürr Erfolg hatte.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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14 Kommentare

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  • MR
    Matthias Roeingh

    Zitat Brock: Mit dem Abtritt von Wullff ändern sich die politischen Verhältnisse nicht

    Link zu dem Gespräch bei Deutschlandradio Kultur: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1697667/

    Brock: Politiker sind sich keiner Schuld bewusst. Sie Arbeiten alle den Superreichen und Konzernen zu. Wie ken.fm sagte, Nennt man diese Pressesprecher auch "Politiker". Warum betreibt Wowreit nicht die 100% Offenlegung der Geheimverträge der Teilprivatisierung der Berliner Wasserwerke? Warum Kümmert er nicht für eine Förderung der Berliner Clublandschaft durch eine generelle Festsetzung des Steuersatzes auf Eintrittsgelder auf 7%? Warum hat er sich noch für ein mehr an Ansiedlung von Arbeitsplätzen für Berlin im Ausland gekümmert? Aber den Wulff machen. Ich werde mich nicht an Politiker gewöhnen die Vorteile aus ihrem Amt ziehen. Wir brauchen ein hartes Anti-Koruptionsgesetz. Schnell. Wir brauchen die Verankerung des Volksentscheides in der Berliner Verfassung. Wowereit ist nicht der Bürgermeister der Berliner. Hat er doch gar kein Mandat!

  • LP
    Lothar Petry

    Danke, Hauke Laging, für Ihren Kommentar.

    Der Schreiber des Artikels, S. Alberti, wäre wohl besser in der Presseabteilung der Senatskanzlei aufgehoben, als in der taz, die ich bisher eigentlich als regierungs-"kritisch" kenne.

  • HL
    Hauke Laging

    Dieser Kommentar macht mich fassungslos. Da schwadroniert der Autor darüber, was "bestraft" gehört, und nennt dafür absurderweise nur den Tatbestand des §332 (Bestechlichkeit). Hat er von §331 (Vorteilsannahmne) noch nie gehört (nach den Monaten der Wulff-Hatz), will er dem gemeinen Leser Vorgaukeln, die Nichtgewährung eines konkreten Vorteils legalisiere bereits das Verhalten?

     

    Und was soll dieses Gefasel von der Richterschaft? Es geht hier um Politik. Der Wähler ist niemandem Rechenschaft schuldig. Er entscheidet ganz allein, wem er wie lange und warum sein Vertrauen (bzw. seine Stimme oder eben auch Stimmenthaltung) schenkt. Wann ist denn jemals ein bedeutender Politiker in Deutschland erst verurteilt worden und dann erst zurückgetreten? Von welcher fiktiven Welt redet der autor also, wenn er uns weismachen will, die Justiz habe über das Schicksal von Politikern zu befinden?

     

    Nach einer derart fundamentalen analytischen Fehlleistung überrascht es wenig, dass die Nichtinanspruchnahme von Luxus mit der Abschaffung der Privatsphäre gleichgesetzt wird. Natürlich ist der Übergang fließend. Besuche ich jemanden, oder nutze ich primär seine Ressourcen zur eigenen Erquickung? 95% der Bevölkerung haben sehr wohl eine Privatsphäre, werden aber nicht luxeriös eingeladen. Wowereit kennt denjenigen nur wegen seines Amtes (will das jemand bestreiten?). Schon deshalb mutet es albern an, von Privatsphäre zu sprechen. Wenn es wirklich um den privaten Kontakt ginge: Der ließe sich ganz problemlos auch in nichtanrüchiger Weise herstellen.

  • JB
    Jane Bond

    Also, nachdem Herr Wulff dermaßen von den Medien gemobbt wurde, dass er als Bundespräsident zurücktreten musste, obwohl er u.a. wegen seiner Geschichten mit spendablen "Freunden" bisher nicht mal rechtskräftig verurteilt wurde, wirkt es absurd, bei Bürgermeister Wowereit nun - in die andere Richtung übertrieben- derart die Samthandschuhe anzuziehen!

     

    Wo ist denn die von Springer angeführte Medien-Meute jetzt? Wowereit will wohl keiner loswerden? - Der Partybürgermeister ist ja auch nie mit fundierter Bankenkritik aufgefallen.

     

    Ich will jedenfalls keinen Bürgermeister, der sich von Geschäftsleuten, die politische Anliegen haben, zu Golfturnieren nach London einladen lässt!

     

    Spezialdemokrat Wowereit (SPD) verdient ja wohl genug (sein Gehalt aus Steuergeldern!), um seine dekadenten Reisen selbst zu bezahlen, während 800.000 BerlinerInnen unter der Armutsgrenze leben und er arbeitslose Leute in Landesprogrammen für mickrige 7,50 Euro die Stunde schuften lässt. (Mindestlohn wäre mindestens 8,50 Euro!)

     

    Ich finde es nicht o.k., dass manche Leute fertig gemacht werden, während andere einen Freibrief kriegen.

  • Y
    yberg

    damals wurden ohne öffentliches trara von warens roland specker und der spd wirtschaftskreis noch fund raising parties im hotel palace für wowi organisiert.

     

     

    wat solls denn:

     

    apostelgeschichte20,35

     

     

    geben ist seeliger denn nehmen

  • S
    Socke

    Tja, mit ein paar Gratisflügen gibt sich Wowi halt nicht zufrieden. Eine Reise nach Australien oder vielleicht auch ein kleines günstiges Kreditchen, und schon hätte die Tempelhofgeschichte anders aussehen können.

     

    Und DA liegt das Problem! Man weiß dann eben NICHT ob die Entscheidung aus politischem oder wirtschaftlichem (Mein Flug, mein Haus, mein Auto) getroffen wurde.

     

    Insofern sollte ein Politiker, der von uns bezahlt wird und unsere Interessen vertritt eben in der Lage sein sowas einfach abzulehnen.

     

    Aber wenn die Gier kommt dann vergisst man sowas halt schnell. Gleiches recht für alle! Die Polizisten die nicht mal einen (weggeworfenen!) Burger annehmen dürfen nimmt man hart ran, den Flug läßt man durchgehen, no way!

  • K
    kunz

    Jedem das Recht auf Privatsphäre. Kein Problem. Die Privatspären der sog. Leistungsträger verweisen systematisch auf das Klassenproblem der Gesellschaft. Einmal Oben angekommen, falls nicht schon immer dagewesen, kennt man eben nur noch Menschen die Hotels, Flüge, Golfplätze, günstige Kredite zur Verfügung haben und guten Freunden zur Verfügung stellen können.

    Wer will da noch noch von Vorteilsnahme sprechen.

  • DW
    Detlef Wulff

    "Das rechte Maß" haben viele verloren, Politiker, Journalisten, Bürger. Einzig die Kabarettisten nehme ich da aus, die nehmen alles gleichermaßen aufs Korn, egal ob das "Maß" tatsächlich und wie viel auch immer überschritten ist.

     

    Aber was ist das "rechte Maß". So dürfen Lehrkräfte nicht mal einen Blumenstrauß als Dank für eine gelungene Klassenfahrt oder als kleine Aufmerksamkeit zum Geburtstag annehmen. Nach VO ist das bei der/dem Schulsenator/in abzuliefern.

     

    Zum einem wird alles für die unterste Ebene bis ins kleinste geregelt und auch sanktioniert (wie es bei Frau Hanke im HPR durch die Presse ging), zum anderen wird bei Wulff/Wowereit so verfahren, als sei es Privatsache und wer als Persönlichkeit professioneller damit umgeht, kann sich da raus wurschteln.

     

    Das ist alles nur oberflächlich, das Problem liegt ganz woanders. Jeder weiß, die Politik ist schon längst zum Lakaien der Wirtschaft und der Banken geworden und nicht mehr für die Interessen der Bürger und Beschäftigten da. Ob man da von den Mächtigen der Welt, den Banken- und Konzernchefs Geschenke annimmt oder nicht, ist da nur ein Nebenschauplatz.

  • O
    ole

    Alles richtig.

     

    Es stellt sich allerdings die Frage, wer solche Tendenzen befördert. In der taz-Rubrik 'Berlin' kann ich jedenfalls nicht erkennen, daß man sich in diesem konkreten Fall um das richtige Maß bemüht.

     

    Vielleicht kann Herr Alberti die Fragestellung nach der Verhältnismäßigkeit mal an seine Kollegen weitergeben.

  • W
    wolf26

    Wen interessiert die Verhältnissmäßigkeit?

    Es geht nur darum,ob ein Politiker zum

    Abschuß freigegeben worden ist oder nicht.

    Das heisst,ob er für bestimmte Leute im Weg

    stand (selber gedacht hat,einfach unbequem

    wurde ).Bei Wulff war das der Fall.Bei

    Wowereit werden wir es noch sehen.

  • P
    Phil

    Ich kann dem Kommentar nur beipflichten. Wenn man jeden Kontakt eines Politikers mit Freunden/Bekannten skandalisiert, wo kommen wir denn dann hin?

     

    Allerdings vermisse ich auch die Selbstkritik der Medien, in dem Fall auch der Taz, die beim Kesseltreiben mit Wulff auch munter mitgemacht haben.

     

    Paradoxerweise sind Journalisten, die sonst immer Aufdeckung, Transparenz und Selbstkritik fordern, sehr sehr still wenn das mal von Ihnen verlangt wird.

    Ich jedenfalls habe noch nie erlebt das sich mal eine Zeitung/Medium etc. von sich aus bei Betroffenen für ungerechtfertigte/überzogene Berichterstattung entschuldigt hätte.

    Wenn überhaupt wird erst nach erfolgreichem Klagen eine "gegendarstellung" gedruckt, meist mit dem ausdrücklichen Hinweis, das man "gezwungen" wird diese zu schreiben.

     

    Charakterlich für die schreibende Zunft ein Armutszeugnis. Aber darüber berichtet natürlich keiner, wer gräbt sich schon selbst das Wasser ab?

  • I
    I.R

    Es ist doch erst im zweiten Step des "Volkes Stimme", die aufjault. Vorher steht noch das Aufjaulen und skandalisieren der medien, die sich mal wiedre wochenlange Schlagzeilen versprechen und schön dosiert Über die zwei finca-Tage oder Bobbycargate berichten, um diese Dosierung anschliessend als Salamitaktik zu verkaufen. Auch die Chefredakteurin singt mit im Chor der Selbstbedienungsgeissler und Vorteilsnahmekitikaster.

     

    Dabei sind es die Journalisten, die immer als Erste am Büffet stehen und missmutig dreinschauen, wenn die belegten Brötchen nicht exklusiv genug ausfallen ...

  • S
    Schmidteinander

    Die taz hat Recht: Wäre ja schlimm, wenn man die Offenhaltung Tempelhofs für ein paar Gratisluxusflüge sich kaufen könnte. Würde komplett den Markt für den Einfluss auf politische Entscheidungen kaputt machen.

  • NG
    [Name Gelöscht]

    Gott sei Dank, ich dachte schon nach den Diskussionen der letzten Tage, ich sei die einzige, die das so sieht.

     

    Mir fehlte sowohl bei Christian Wulff als auch jetzt bei Klaus Wowereit die Verhältnismäßigkeit. Bei Herrn Wowereit wird schon im Vorfeld eine "Affäre" postuliert, wo gerade mal eben eine Vermutung im Raum steht.

     

    Und bevor wieder jemand aufschreit - es geht in keinster Weise darum, ein Fehlverhalten bestimmter Politiker zu verteidigen, aber es geht wie bereits gesagt um die Verhältnismäßigkeit und vor allem auch um die (menschliche) Art und Weise, wie mit solchen Dingen umgegangen wird.

     

    Ein Urteil über ein eventuelles Vergehen sollte man doch bitteschön in aller Sachlichkeit den Gerichten überlassen, eine von Häme triefende Hetzjagd wie auf Herrn Wulff finde ich jedoch völlig unverhältnismäßig und unangemessen. In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht auch einmal bedenken, dass das Ansehen unseres Staates, dass viele Leute durch Herrn Wulff so nachhaltig beschädigt sehen, nicht nur durch die Politiker unseres Landes zustande kommt, sondern eben auch durch die Menschen, die hier leben und durch deren öffentliches Verhalten.