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Kommentar zu PflegeberufenUnattraktive Zukunftsbranche

Heike Haarhoff
Kommentar von Heike Haarhoff

Die Zahl der offenen Stellen in der Pflegebranche übersteigt bei weitem die der Bewerber. Die Gründe liegen nicht nur in schlechter Bezahlung und ungesunden Schichtdiensten.

D er Pflegeberuf ist eine Zukunftsbranche. 152.000 Alten- und Krankenpfleger werden bereits in 15 Jahren in Deutschland fehlen. Mehr als 3 Millionen Menschen werden dann zu betreuen sein, Tendenz steigend. Schon heute aber übersteigt die Zahl der offenen Stellen die Zahl der Bewerber.

Dabei ist Pfleger kein komplizierter akademischer Beruf. Wohl aber einer mit Tarifverträgen für die Profipfleger und mit Mindestlöhnen für die Aushilfen. Was also macht ihn so unattraktiv, dass es zur Nachwuchsrekrutierung eines politischen Gipfels bedarf?

Ein Grund sind die mäßige Bezahlung und die ungesunden Schichtdienste. Im Gegensatz zu den Ärzten haben die Pflegekräfte, die in Heimen und Krankenhäusern die Knochenarbeit leisten, seit Jahren keine nennenswerte Lohnsteigerung erfahren.

Bild: taz
HEIKE HAARHOFF

Heike Haarhoff ist taz-Redakteurin im Ressort Innenpolitik.

Unter wachsendem Kostendruck haben viele Kliniken sogar Stellen abgebaut, wie immer bei den Beschäftigten mit schwacher Lobby. Das hat zu einer Arbeitsbelastung geführt, die viele Pflegerinnen und Pfleger nicht mehr hinnehmen mögen.

Vor allem aber leidet der Pflegeberuf unter seinem negativen Image. Über gelingende Pflege wird selten berichtet. Wohl aber über dehydrierte, wundgelegene Alte in Pflegeheimen und Krankenhäusern sowie über vermeintlich sadistische Pfleger, die sich vor Gericht verantworten müssen - für Arbeitsbedingungen, für die sie nichts können. Wer soll seinem Kind da noch raten, ausgerechnet eine Pflegeausbildung anzustreben?

Es braucht ein positives Pflegeleitbild, das deutlich macht, worum es in diesem Beruf tatsächlich geht: um gesellschaftliche Solidarität. Dafür braucht es mehr politische Anstrengung als einen Pflegesmalltalk beim Gesundheitsminister.

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Heike Haarhoff
Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort
Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
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4 Kommentare

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  • K
    Krankenpfleger

    Wenigstens hier melden sich Pflegende selbst zu Wort, wenn auch anscheinend sonst niemand. Die Pflege hat leider keine Lobby und kommt in der Politik gegen die Medizin Pharmazie nicht an. Deshalb diskutieren in vielen Medien auch Ärzte über die Probleme der Pflege und nicht etwa die Betroffenen.

     

    Aber ein Teil des Problems ist auch Haus gemacht. Fragt man Pflegende nach ihrem Beruf, wird man lange Monologe über Belastung, Stress bedingte Krankheiten und sterbende Patienten hören. Durchaus verständlich, denn der Beruf belastet unter den falschen Arbeitsbedingungen sehr. Doch fragt man dann, ob sie sich einer Gewerkschaft angeschlossen haben oder in einem Berufsverband sind, wird es stiller. Das würde noch mehr Geld kosten und bringt ja eh nichts. Aha. Leiden soll der, der sich nicht wehren will. Die größte Berufsgruppe im Gesundheitssystem (!), in allen wichtigen Bereichen vertreten, in den Orten, wo Pflege stattfindet, meist, gezwungener Maßen, hoch organisiert (im Gegensatz zu Ärzten) und doch auf nationaler Ebene total unorganisiert. Will uns niemand hören, schreien wir den falschen Leuten zu (und zwar nur uns gegenseitig!?) oder sind wir nicht ernst zu nehmen?

     

    Image? Ich denke nicht, dass wir ein Image Problem haben. Prestige haben wir in jedem Fall, immerhin unter den Top 5 Prestigeberufen in Deutschland. Vielmehr sollte man sich Gedanken machen, warum laut Studienlage (Studie EXIT - Raus aus der Pflege) der durchschnittliche Pflegende nach 5 Jahren möglichst schnell wieder weg vom Bett oder raus aus Deutschland will. Das liegt nicht daran, dass die Arbeit eklig oder nicht schön ist, sondern dass man es nicht aushält unter diesen Arbeitsbedingungen ein zufriedenes Leben zu führen.

    Viele Pflegende steigen sehr früh in das Berufsleben ein und kennen es nicht anders. Ich habe beschlossen, dass ein Job, den man zu allen Tages- und Nachtzeiten ausführt, in denen man nicht selten 10 Stunden ohne Pause arbeitet, zu einem geringen Lohn und keinerlei politischer Unterstützung es nicht wert ist getan zu werden. Schade für die Patienten.

    Naja vielleicht sind 8,-€ Discount Pflegende ja bescheidener.

  • ???

    ich denke nicht,dass es sich hauptsächlich um ein image-problem handelt.

    viele stellen werden an nicht-ausgebildete,sondern lediglich an angelernte kräfte vergeben. die bezahlung wird dadurch nochmals gesenkt.

    desweiteren gab es nicht nur keine lohnzuwächse, sondern reale einbußen (realer/relativer verdienst).

    hinzukommt natürlich auch die frage nach den aufgaben und der realen arbeitssituation von pflegern. inwieweit kümmern bzw sind sie überhaupt in der lage sich auch emotional und kognitiv mit den pflegepatienten auseinanderzusetzen...

  • IH
    IFelix Hildebrand

    Guter Artikel, sagt aber nicht das entscheidende : Der Zug ist abgefahren. - Ähnlich wie bei der Klimakatastrophe wacht man jetzt auf wo es definitiv zu spät ist. Die Situation in den Alten- und Pflegeheimen ist schon seit über 10 jahren katastrophal wird aber hingenommen auch weil es die Deutschen nicht stört wenn hier massiv Arbeitszeitgesetze mißachtet werden oder Leute extrem ausgebeutet werden, weil ständig versucht wird Löhne zu drücken.

    Jetzt ist die Entwicklung in den Krankenhäusern angekommen und wurde beschleunigt bzw. verschärft weil in den letzten Jahren Krankenhäuser massiv privatisiert wurden, das stört manche, Krankenhäuser haben noch ne Aura. Eine Entwicklung ist da nicht abzusehen denn die Kommunen und Länder sind pleite. Private Klinikkonzerne scheißen auf die Pflege auch wenn ihr Broschüren ständig Wellness-Stimmung verbreiten. Pflege ist nur Kostenfaktor und da reicht im Zweifelsfall ein Schnellkurs. Man möchte nach industriellen Vorbildern Pflegeprozesse taylorisieren und dann Leute einstellen die für 8,- euro die Stunde durchknüppeln eine Vision die durchaus machbar ist, die Menschlichkeit kann dann der Pastor oder die "Grüne Dame" möglichst ehrenamtlich verabreichen. Der Autor fragt in eurem Artikel auch schon mal schelmisch ob man zum Füttern eine 3-Jährige ausbildung braucht. Natürlich nicht ! Aber er hat nichts, gar nichts begriffen. Wird er dann merken wenn er mit einem Schlaganfall und einer Halbseite im Bett rumlungert und ihm die Suppe in die Hose tropft am besten heiß.

    Natürlich wird nichts besser weil es Geld, sehr viel Geld kostet. Geld das momentan ausgegeben wird für durchaus sinnvolle teure medizinsiche Apparate oder notwendige bauliche Renovierungen. Bei der Pflege kann man deshalb auch gut spren weil sich Krankenschwestern nicht wehren ist vielleicht berufsspezifisch oder ein Problem von Verd. Die Leute werden halt in Zukunft früher sterben, die durchschnittliche Lebenserwartung sinkt dann wieder, ist vielleicht auch besser so, dann erholt sich wieder das Klima, so schließt sich der Kreis.

     

    Gruß aus HH

     

    Felix Hildebrand

    HH - angestellt bei Asklepios

     

    Ich bitte um Anonymisierung bei einer Veröffentlichung. Danke

  • F
    Florentine

    "Unter wachsendem Kostendruck haben viele Kliniken sogar Stellen abgebaut...",da hat Frau Haardorf recht.50.000 Stellen wurden in der Zeit der SPD/Grünen und SPD/CDU Regierungen GESTRICHEN! Ula Schmidt mußte dies unmittelbar vor der letzten Bundestagswahl auf Druck der Krankenhausärzte zugeben. Bis dahin wurde uns 10 Jahre eingebläut, dasss in der Pflege 50.000 Pflegekräfte fehlten, die - natürlich- durch Ausländer ersetzt werden müßten, so die 1998 von Schröder unter Rita Süßmuth eingesetzte Zuwanderungskommission. Wenn die Wahrheit so lange verschleiert und wir angelogen wurden, wie schaut dann wohl die Wahrheit heute aus?