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Kommentar zu FukushimaDenn sie wissen nicht, was sie tun sollen

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Die Betreiber von Fukushima pumpen radioaktive Brühe ins Wasser. Sie wissen sich nicht anders zu helfen - ein beklemmendes Gefühl. Und gelebte Risikogesellschaft.

N un wird in Fukushima eine große Menge radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik eingeleitet - und zwar ganz offiziell. Die Betreiber wissen sich nicht mehr anders zu helfen, sie pumpen die radioaktive Brühe aus den Räumen der vier havarierten Reaktoren. Solange das Wasser mit seiner strahlenden Fracht in den Reaktorräumen steht, schädigt es die Reparaturtrupps derart, dass sie nicht an den Kühlpumpen arbeiten können. Außerdem kann auch niemand die Elektrik erneuern, solange sie unter Wasser steht. Wir erleben also höchsten Zeitdruck und Entscheidungsnot, obwohl wir vom Gefühl her einer Katastrophe in Zeitlupe beiwohnen.

Die japanische Atomsicherheitsbehörde schätzte am Montag, selbst wenn die Arbeiten an den Kühlsystemen endlich anlaufen sollten, würden sie erst in Monaten abgeschlossen sein. Monate, in denen immer neues Wasser von oben in die Reaktoren gefüllt und über Leitungen ins Meer entsorgt wird. Eine irre Perspektive. Natürlich ist der Pazifik weiter und tiefer als jeder andere Ozean und die Radioaktivität verdünnt sich. Dieses Meer hat auch die Atombombenversuche überstanden, es übersteht die täglichen Einleitungen von chemischen Schadstoffen aus den Flüssen. Trotzdem ist es ein beklemmendes Gefühl, wenn kalkuliert Strahlung in die See gepumpt wird.

Da bleibt dann nur die Hoffnung, dass die Strömungen ähnlich gut stehen wie die Winde in den vergangenen Wochen. Die wehten auch bis auf wenige Tage aufs Meer hinaus und nicht die Küste hinauf und hinunter. Ob Tepco überhaupt eine andere Wahl hätte, ob man das Wasser in gecharterten Tankern zwischenlagern könnte, statt ins Meer zu lassen - es ist letztlich unerheblich. Die Entscheidung ist getroffen.

Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Ähnliche Entscheidungen treffen die Atomindustrie und ihre Aufsichtsbehörden übrigens häufig und weltweit: Die Wiederaufarbeitungsanlagen Großbritanniens und Frankreichs waren und sind so kalkuliert, dass ein wesentlicher Teil des Mülls ins Meer abgeleitet wird. Das erhöht irgendwie die Krebsraten der Fischesser, aber vielleicht nicht entscheidend und auf jeden Fall für keinen einzelnen Betroffenen sicher rückverfolgbar. Das ist innerindustrielle Logik, das ist gelebte Risikogesellschaft. Die wird in Fukushima nur gerade mal sichtbar. Was daran den größten Skandal ausmacht: Atomtechnik ist wahrlich nicht die einzige Risikotechnik. Aber die unnötigste.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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9 Kommentare

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  • L
    Lehrer

    Unglaublich was für konserative Kommentare die taz mittlerweile raushaut!

     

    Ich bin geschockt! Und sowas will sich eine liberale, offene, freie Zeitung nennen?! Erinnert mich eher an die Propaganda des Springer Verlages die der CDU nun helfen soll, ihre Menschen- und Umweltfeindliche Politik als sozial, zukunftsorientiert und umweltbewusst zu verkaufen um der CDU nach dieser Katastrophe wieder ein salonfähiges Image zu verpassen!

     

    Glaube ehrlich langsam, dass es in Deutschland keine freien, unabhängigen Medien mehr gibt, die den Reichen nicht nach der Pfeife tanzen!

     

    Genauso wie mit Lybien, - da findet auch keine unabhängige Berichterstattung statt: Berichterstattung die hinterfragt, welche Interressen die NATO und ihre Partner vertreten und warum an der Elfenbeinküste der ehemalige Präsident der Weltbank, Alasane Quattara, Massaker an seiner eigenen Bevölkerung verüben darf ohne das die NATO eingreift; geschweige denn irgendwer in Europa nur ein leises Lüftchen darüber verlauten liesse!

     

    Hängt vielleicht damit zusammen, dass die Elfenbeinküste kein Öl an uns liefert? Und keine Waffen von uns kauft? Also bei Ländern die keine reichen Rohstoffvorhaben besitzen die für die westlichen Industrieländer zur Erhaltung ihres Reichtumes benötigt werden, sind uns die Menschenrechte auf einmal scheißegal. Aber Lybien muss dringen befreit werden, genauso wie Afghanistan, der Irak, Ägypten und bald sicher auch der Sudan wie einige andere ölreiche Gegenden in Afrika und Asien.

     

    Die taz ist so schwach geworden, dass sie es nichtmal mehr schafft ehrlich zu schreiben, was jeder klardenkende und interressierte Beobachter sich selber denken kann und muss, wenn er ehrlich zu sich selbst ist...

     

    Einfach nur schwach und heuchlerisch was die deutschen Medien abliefern! Eigentlich sollte man überhaupt keine Zeitungen mehr lesen, steht ja eh nur die halbe Wahrheit drinnen.

  • K
    Karl

    @ Wassermann,

     

    das hab ich mich auch gefragt!

     

    Eine Sickerstrecke vorschalten wäre abolut unproblematisch. Zudem, das ist auch kein Geheimnis, lagern sich z.B. U und Th recht fest an Eisenoxide.

     

    Das aktiviert dann zwar die Matrix, dürfte aber unproblematischer sein als das kontamninierte Wasser.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • B
    BerlinaWoman

    Geheimsache Fukushima.

  • K
    kalle

    "Das ist innerindustrielle Logik, das ist gelebte Risikogesellschaft."

     

    Nein, das ist /kapitalistische/ Logik. Und in dieser Logik ist es auch nicht "unnötig", sich AKWs hinzustellen. Sie tragen zum gewünschten Energiemix bei, um sich unabhängig von anderen Energieträgerlieferanten (=Rivalen in der internationalen Konkurrenz) zu machen, und sorgen für niedrige Energiekosten pro Produkt. Wieder eine maßgebliche Voraussetzung für ein gutes Abschneiden in der internationalen Standortkonkurrenz. Sowohl, um die heimischen Erzeugnisse weltmarktfähig zu halten, als auch andere Kapitale auf den heimischen Grund und Boden zu locken. Da können die Erneuerbaren einfach noch nicht mithalten. Aber das dauert nicht mehr lange, und dann wird alles gut, wenn der Kapitalismus endlich etwas grüner brummt.

  • H
    hto

    "Denn sie wissen nicht, was sie tun sollen" - ich behaupte sie wissen es sicher schon. Sie trauen sich nur nicht, weil die nötigen Maßnahmen nicht so "einfach" wie bei Tschernobyl machbar sind. Und wenn man den Chinesen die Handlungshoheit geben würde, dann wäre dies sicher mehr als nur der Gesichtsverlust für die Japaner!?

  • S
    snoopy

    Wenn man vorher nicht überlegt, was man tut-, weiß man natürlich nachher nicht, was man tun soll. Sind das Menschen oder Idioten-, die in einem Erdbebengebiet ein AKW bauen? Ich schätze, das sind gut bezahlte Akademiker, die wider besseres Wissen hauptsächlich zu eigenem Nutzen handeln.

  • F
    franziska.qu

    Naja, eigentlich scheint das alles sooo harmlos zu sein. Nur a bissle gefährlich. Abba nicht wirklich. Da fliegt a bissle Jod 131-was solls. Radioaktiv verseuchtes Wasser...macht nix, verdünnt sich schon im Meer. Weitere Evakuierungen? Ach, brauchts nicht. 50 Arbeiter sollens richten...wenns nicht mehr ist. Super-Gau? Iwo. A bissle ein Unglück halt. So in etwa die interpretierten Aussagen aus Japan. In Tschernobyl wurden hunderttausende Arbeiter eingesetzt, die sowjetische Informationspolitik war ehrlicher als die japanisch-demokratische. Und war da was mit Plutonium? Naja, seit neuestem ist dies auch in höheren Dosen harmlos, scheints. Und Cäsium, Strontium, Tritium? Nix is. Falls es das überhaupt gibt-harmlos.

    Mal im Ernst: ich habe in keinster Weise den Eindruck, dass die japanische Regierung das Ganze ernst nimmt, weiß was sie tut und Herr des Verfahrens ist. Die armen Menschen in Japan.

  • U
    Unverständnis

    Ich verstehe nicht, warum sich keiner darüber aufregt, wenn die einfach Millionen Liter von irgendeiner radioaktiven Brühe ins Meer leieten. Die ganze Sache ist den deutschen Medien gerade mal eine kurze Meldung am rande Wert. Es gibt keine Kritik der deutschen Regierung, der UNO, der EU oder von was weiss ich wem.

    Wenn ich meine Blase auf der Straße erleichtern würde (etwas was ich nicht tue, weil ich es für eine Schweinerei halte), dann kommt das Ordnungsamt und verpasst mir zu Recht eine Strafe. Irgendwie ist das unverhältnismäßig.

    Ich würde gerne mal den Test machen, mich vom Ordnungsamt beim Wildpieseln erwischen lassen, und dann die Bezahlung der Strafe mit Verweis auf Fukushima verweigern. Ich möchte die Begründung hören, mit der ein Richter mich zwingen wollte.

  • W
    Wassermann

    Ob Tepco eine Alternative zur direkten Verklappung im Meer hätte? Allerdings: Die Folgen für das Meer ließen sich schon allein dadurch erheblich verringern, indem man das Wasser nicht direkt ins Meer kippt sondern in einiger Entfernung vom Strand versickern lässt. Denn jeder Wasserwerker weiß, dass durch die Untergrundpassage fast alle Schwebstoffe im Boden zurückgehalten werden, also wahrscheinlich auch die Masse der radioaktiven Teilchen. Den dann freilich entsprechenden Boden könnte man später auskoffern und (relativ) sicher entsorgen. Aber das wäre den Tepcorristen bestimmt auch zu teuer.