Kommentar zu Fahrraddiebstahl: Eine runde Sache
Radfahrer müssen sich entscheiden. Wollen Sie die Sicherheit des Rechtsstaats? Oder wollen sie die Anarchos unter den Verkehrsteilnehmer bleiben?
Wer in Berlin einen lukrativen Nebenverdienst sucht, der sollte Fahrraddieb werden. Das ist zwar offiziell verboten. Doch daran stört sich offenbar niemand. Radbesitzer melden den Verlust meist erst gar nicht der Polizei. Und wenn doch, legt die nur eine Akte an, die irgendwo verstaubt. Gefahndet wird nach dem Diebesgut jedenfalls nicht. Der Dieb kann es in aller Ruhe verhökern - etwa auf dem Flohmarkt, wo sich der Radler für günstiges Geld einen neuen Drahtesel zulegen kann. Ein runde Sache für alle?
Nicht ganz. Denn wer sich - etwa aus Gründen der Bequemlichkeit - ein etwas teureres Rad zulegt, wird regelmäßig ordentlich draufzahlen, um sich adäquaten Ersatz zu besorgen. Er kann allenfalls das Risiko minimieren. Erstens durch den Abschluss einer Diebstahlversicherung - die aber ist teuer. Zweitens indem man das Rad in der Wohnung übernachten lässt - das ist spätestens ab dem zweiten Stock sehr aufwändig. Drittens indem man nur noch Schrotträder fährt, deren Verlust man verschmerzen kann. Und viertens mit dem Ruf nach mehr Polizei.
Hm.
Aber will man das? Ständig in Kontrollen geraten, bei denen man nachweisen muss, dass man der Besitzer seines Rades ist? Gut, das ließe sich vereinfachen, durch eine auffällige Kennzeichnung der Räder. Aber will man das? Mit allen Konsequenzen?
Hm.
Radfahrer könnten die ihnen zustehenden Sicherheiten des Rechtsstaates einfordern. Dann aber müssten auch rote Ampeln beachtet, funktionierende Dynamos vorgewiesen und Gehwege gemieden werden. Oder sie bleiben die Anarchos unter den Verkehrsteilnehmern, denen Freiheit über alles geht. Dann bleibt auch Fahrraddiebstahl eine runde Sache. Sie müssen sich entscheiden.
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