Kommentar zu Alleinerziehenden: Bitte lauter jammern!
Warum sollen sich Alleinerziehende immer an das Arbeitsleben anpassen und nicht umgekehrt? Kürzere Arbeitszeiten bei Löhnen, von denen sich trotzdem noch leben lässt - das wäre der richtige Ansatz.
Alleinerziehende sind öfter arm, öfter krank, öfter seelisch in Not als andere - und ihre Lage verschlimmert sich immer noch. Das ist bestürzend - ebenso wie die Tatsache, dass das zu ändern niemanden wirklich interessiert. Alleinerziehende wissen, dass es genau zwei Arten gibt, wie auf Klagen ihrerseits reagiert wird. Die eine lautet: "Aber du machst das doch alles ganz super!" - und beendet so jedes weitere Gespräch. Die andere: "Ach, ihr Alleinerziehenden jammert immer so gerne!" - und hat den gleichen Effekt.
Es ist wenig erstaunlich, dass sich die Reaktionen auf die alarmierende Entwicklung vor allem darauf beziehen, wie man Alleinerziehenden durch mehr Kinderbetreuungsangebote mehr Anpassung an den Arbeitsmarkt ermöglichen kann. Das mag ja gut gemeint sein - doch es ist der falsche, der feige Weg.
Wer Alleinerziehenden - und anderen Eltern - ein entspanntes Leben mit Arbeit und Kindern möglich machen will, muss umgekehrt das Arbeitsleben an deren Bedürfnisse anpassen. Und das heißt: kürzere Arbeitszeiten bei Löhnen, von denen sich trotzdem noch leben lässt.
Arbeitgeber, die das bieten, sind immer noch sehr selten. Und die letzte Politikerin, die in dieser Zeitung die Einführung der 30-Stunden-Woche für alle forderte, war die Marxistin Lucy Redler - und die ist selbst den GenossInnen von der Linkspartei zu links.
Als Alleinerziehende kann man sich da eigentlich nur wünschen, dass es möglichst noch mehr von uns gibt. Ja, und leider möglichst auch noch immer kränker. Denn eins ist aus Erfahrung sicher: Erst wenn der wirtschaftliche Schaden, der durch das Alleinlassen Alleinerziehender entsteht, mehr Kosten verursacht als vernünftige und lebbare Lösungen, wird es solche geben. So lange gilt: Bitte möglichst laut weiterjammern!
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