Kommentar von Tobias Schulze über den Koalitionsbeschluss zur Flüchtlingspolitik: Carepaket mit Wermutstropfen
Unter dem Eindruck Tausender Flüchtlinge, die seit dem Wochenende die Bundesgrenze überschreiten, haben sich Union und SPD noch Sonntagabend auf eine Reihe sinnvoller Maßnahmen geeinigt: Milliarden Euro gehen an Länder und Kommunen, der Bund stellt Unterkünfte zur Verfügung, Menschen vom Westbalkan dürfen legal in Deutschland bleiben, zumindest, wenn sie einen Arbeitsvertrag haben.
All diese Maßnahmen waren dringend nötig. Aber ohne den Druck der Ereignisse hätte man auf dieses Paket noch lange warten müssen.
Trotzdem bietet das Paket auch Anlass zur Sorge, denn die Hardliner aus der CSU haben eine Reihe von Forderungen durchgedrückt, so wollen sie teils hart erkämpfte Rechte von Asylbewerbern wieder kassieren.
Beispiel Residenzpflicht: Baden-Württemberg stimmte in der Bundesratsabstimmung nur zu, drei Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, weil im Gegenzug ein Kompromiss ausgehandelt wurde. Asylbewerber dürfen sich seitdem freier im Bundesgebiet bewegen. Kein Jahr später soll die Residenzpflicht nun reinstalliert werden.
Beispiel Sachleistungen: In Erstaufnahmelagern erhalten Flüchtlinge die meisten Leistungen in Naturalien. Nur 140 Euro erhält ein Asylbewerber dort in bar, zum Beispiel für Bustickets oder Telefonkarten. Dieses Taschengeld will die Regierung weiter zusammenstreichen.
Beispiel Duldungen: Viele abgelehnte Asylbewerber können nicht abgeschoben werden, etwa weil sie krank sind oder ihre Heimatstaaten sie nicht aufnehmen. Sie leben in ständiger Unsicherheit, weil ihre Duldung alle sechs Monate widerrufen werden kann. Diese Frist will die Regierung noch weiter absenken – auf drei Monate.
Natürlich: Um die steigende Zahl von Asylbewerbern zu bewältigen, sind Abstriche nötig. Manche davon schmerzen und sind trotzdem unausweichlich. Maßnahmen aber, die ausschließlich auf Kosten der Flüchtlinge gehen, ohne Kosten und Asylbewerberzahlen spürbar zu senken, muss die Opposition mit aller Kraft verhindern – notfalls über den Bundesrat. Denn klar ist: Errungenschaften, die die Regierung heute im Hauruckverfahren opfert, wird sie den Asylbewerbern so schnell nicht wieder zugestehen. Auch dann nicht, wenn die Flüchtlingszahlen irgendwann sinken.
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