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Kommentar von Alina Schwermer zu Dárdais AbschiedHertha leidet unter chronischer Überschätzung

Alina Schwermer

ist Redakteurin für Leibesübungen.

Am Dienstagmorgen kam die Bestätigung dessen, worüber schon in den letzten Tagen reichlich spekuliert worden war: Pál Dárdai wird ab Sommer nicht mehr die Erste Mannschaft von Hertha BSC trainieren. Herthas mutlose Auftritte in der Rückrunde mit nur elf Punkten und zuletzt fünf Niederlagen in Serie sind der akute und offizielle Auslöser. Tatsächlich aber kommt die Krise den Verantwortlichen wohl auch gelegen: Dárdai passt schon länger nicht mehr zu dem Hertha BSC, wie Manager Michael Preetz ihn sich vorstellt.

Mittelfristig den Rückstand auf die ersten sechs zu verringern, das hat Preetz ausgerufen. Dárdai war Realist genug, Herthas Selbstüberschätzung immer wieder zu bremsen. „Der sechste Platz ist eine Art Meisterschaft für uns“, sagte er noch kürzlich im taz-Interview. Alle Mannschaften drüber spielten in einer eigenen Liga. Das ist richtig. Nur ist Realismus kaum gefragt bei Hertha und in der Liga. Wer nicht ins naive Schneller-Höher-Weiter einstimmt, ist bald Auslaufmodell.

Bescheidenheit und Geduld hat Hertha BSC nie verstanden. Nach dem Stadion-Debakel überschätzt der Klub schon wieder die eigenen Möglichkeiten. Ohne einen finanzstarken Investor, ohne eigenes Stadion und mit mittelmäßigem Zulauf hat der Klub tabellarisch sein Limit erreicht. Ein taktisch versierter Ballbesitz-Trainer anstelle des Dárdai’schen Underdog-Konterfußballs könnte durchaus noch ein paar Prozent rausholen, aber für alles Weitere müsste sich der finanzielle Rahmen ändern.

Nicht visionär genug

Pál Dárdai, im Profi-Trainergeschäft immer Außenseiter, sah sich hauptsächlich als Entwickler junger Spieler. Hertha gab das einen kräftigen Imagegewinn und ein finanzielles Plus sowieso. Den Verantwortlichen aber konnte der Fortschritt nie schnell genug gehen. Gute Jugendarbeit, ein Platz im gesicherten Mittelfeld mit gelegentlicher Euro League – das war ihnen irgendwann zu ambitionslos, Dárdai zu wenig visionär.

Am Ende hat auch Dárdai Fehler gemacht: Bei schlechten Leistungen blieb er zu unkritisch, attackierte stattdessen die Medien. Hertha schien ihn da schon halb fallen gelassen zu haben. Das könnte ein Fehler gewesen sein. Der letzte Abstiegskampf ist nicht lange genug her für die Berliner Geschichtsvergessenheit. Oben wiederum ist die Konkurrenz groß. Hertha würde wohl gern den Erfolgsweg von Frankfurt oder Gladbach gehen. Aber bis dahin ist es weit, mit oder ohne Dárdai.

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