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Kommentar vertrauliche GeburtGute Idee, aber keine Lösung

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Vertrauliche Geburten statt Babyklappen zu ermöglichen, hilft möglicherweise den Kindern. Doch könnte es die betroffenen Mütter in aussichtslose Situationen drängen.

S chon die Wortwahl stimmt milde. „Vertrauliche Geburt“ heißt das neue Gesetzgebungsvorhaben der Familienministerin. Und das klingt ja nun, im Gegensatz zur „Babyklappe“, schon eher nach jener Wärme und Geborgenheit, die Neugeborene umfangen sollte.

Die vertrauliche, sprich: die anonyme Entbindung in einem Krankenhaus soll die rund hundert Babyklappen in diesem Land überflüssig machen. Und sie soll dafür sorgen, dass die auf diese Weise zur Welt gekommenen Kinder später ihre leibliche Mutter finden können.

Eine gute Idee. Kinder haben ein Grundrecht auf ihre Identität. Selbst wenn sie bei noch so liebevollen Adoptiv- oder Pflegeeltern aufgewachsen sind – die Frage nach dem eigenen Woher beantworten zu können, kann über das Gelingen von Biografien entscheiden. Deshalb will Schröder diesen Kindern Zugang zu ihren Herkunftsdaten zu ermöglichen.

Bild: taz
ANJA MAIER

ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.

Aber was ist mit den Müttern? Frauen, die sich entschließen, ihr Baby anonym zur Welt zu bringen oder es in einer Babyklappe abzulegen, haben Gründe dafür. Sie entscheiden sich in höchster Not für das Leben des Kindes, aber gegen ein gemeinsames Leben mit ihm. Ein Entschluss, den die Ministerin in Zweifel zieht. Sie wolle, sagt sie, mit Einführung der „vertraulichen Geburt“ die Babyklappen abschaffen. Diese seien eh illegal und würden nur geduldet.

Dass Frauen sich für eine anonyme Geburt entscheiden, verdient Respekt. Dass sie nun damit rechnen müssten, dass sechzehn Jahre später ihr leibliches Kind dennoch vor ihrer Tür steht, wird das Zutrauen in das neue Verfahren nicht gerade fördern. Das könnte diese Frauen sogar wieder in scheinbar aussichtslose Situationen drängen. Und dies kann nicht das Ziel des Gesetzgebers sein.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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2 Kommentare

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  • PT
    passierte Tomate

    @tomate

     

    Super, dann entscheide ich mich doch noch für eine Abtreibung.

    Da erfährt niemand was von!!!

  • T
    Tomate

    Leute, Leute: sogar Bambi Schröder darf doch auch mal was gut machen. Rumhacken auf ihr darf man ja gerne weiterhin, aber doch besser dort, wo sie es tatsächlich verdient hat - etwa bei der Herdprämie.

     

    Was dieses Thema angeht: hier ist das Recht eines Menschen auf Identität gewiss höher anzusetzen als der Wunsch einer Frau, ihr Kind sobald wie möglich loszukriegen und nichts mehr davon wissen zu müssen. Babyklappen wurden ja auch nicht zur Förderung der Frauenrechte eingerichtet, sondern um Frauen, die ihr Kind ohne Verwicklungen loshaben wollen, eine Möglichkeit zu geben, die ohne Mülltonne oder Aussetzen im Wald funktioniert.

     

    Und wenn eine Frau davon ausgehen kann, dass sie ihr ungeliebtes Kind - wenn überhaupt - erst in einer fernen Zukunft wiedersehen muss, dann nimmt das soviel unmittelbaren Leidensdruck von ihr, dass es bei einer Abwägung so gut wie immer dazu kommen dürfte, dass sie das Kind "vertraulich" zur Welt bringt, statt es aus dem Mutterleib direkt in die Mülltonne purzeln zu lassen. Damit hätte diese Maßnahme ebenfalls ihr Ziel erreicht, ganz ohne die Nachteile der Babyklappe.

     

    Hier ein weiterer Nachteil von letzterer: in prekären Verhältnissen am Rande der Gesellschaft, etwa dort, wo eine ausländische, ohne Papiere in der Illegalität lebende Prostituierte von einem Zuhälter ganz und gar dominiert wird, bietet die Babyklappe diesem "Partner" eine äußerst luxuriöse und mit einer sehr niedrigen Hemmschwelle ausgestattete Möglichkeit, der Frau das Kind wegzunehmen, um sie baldmöglichst wieder "einsatzbereit" zu haben.

     

    Überhaupt sinkt dadurch die Hemmschwelle für ein Szenario nach dem Muster: jemand nimmt einer Frau ihr Kind weg und "entsorgt" es auf eine solche Weise. Das wäre zwar ein extremes Vorkommnis, aber Babyklappen werden andererseits auch extrem selten genutzt, und wer weiß, was in diesen seltenen Fällen immer dahintersteckt.

     

    Bei dieser "vertraulichen Geburt" handelt es sich meines Erachtens um ein ziemlich gute Idee. Jetzt kommt es natürlich darauf an, ob das auch wirklich frauenfreundlich umgesetzt wird, oder ob damit wieder ein Spießrutenlauf durch die Beratungsstellen verbunden wird (wobei gegen ein Beratungsangebot natürlich absolut nichts einzuwenden ist).