Kommentar (siehe S. 30): Instinktlos
■ Politiker reisen trotz leerer Kassen
Keine Frage, Brüssel ist eine Reise wert – schließlich stehen dort eine Menge Töpfe, aus denen Geld nach Bremen fließt. Trotzdem ist die etwa 15.000 Mark teure Reise der 13 Deputierten instinktlos. 48.151 Menschen sind im Land Bremen arbeitslos. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt 24.000 Mark. Ein Grund, nach Brüssel zu fahren. Aber kein Grund für 13 Kommunal-Politiker sich dort Vorträge anzuhören, die sie sich auch zuhause anhören könnten.
Etliche Initiativen und soziale Einrichtungen fallen dem Sparzwang zum Opfer. Ein Grund mehr, darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoller wäre, nur eine kleine und kompetente Delegation reisen zu lassen. Stattdessen darf jeder Deputierte mitfahren – ob er dem englischen Vortrag über den „Stand der Umsetzung des Sozialfonds in Bremen“ nun folgen kann oder nicht. Doch damit nicht genug: Die Baudeputation plant eine Reise nach Barcelona. Die Häfendeputation kann sich nicht entscheiden, ob sie lieber nach Singapur oder Indien möchte – eins steht allerdings schon fest: Der Steuerzahler muß für diese Reise mindestens 30.000 Mark bezahlen. Fast kein Tag vergeht, ohne daß nicht ein Politiker die Redewendung vom engerzuschnallenden Gürtel in den Mund nimmt. Das gilt allerdings nicht für sie. Und auch für die steigende Politikverdrossenheit sind sie nicht verantwortlich, sondern die bösen, kleinlichen Journalisten, die ihnen das Reisen nicht gönnen. Kerstin Schneider
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