Kommentar linke Gewalt: Wütend, weil ohnmächtig
Statt Machtgefühle mit einer Machtdemonstration zu bekämpfen, sollte man die Ohnmacht als Motiv ernst nehmen.
D ie Zahl ist gewaltig. Straftaten mit linksextremem Hintergrund sollen um fast 40 Prozent gestiegen sein, behauptet die Bild und beruft sich auf interne Statistiken des Bundeskriminalamtes. Nun lassen Statistiken stets viel Raum für Interpretationen - zumal wenn sie wie hier nicht einmal bestätigt sind. Das Springer-Blatt schreibt beispielsweise, 2009 seien bereits drei Tötungsversuche an Polizisten registriert worden. Da muss man wissen, dass nach dem diesjährigen 1. Mai das Werfen von Molotow-Cocktails auf Beamte erstmals von der Berliner Justiz als Mordversuch gewertet wurde. Die Gewaltart gab es auch in den Vorjahren, sie wurde nur anders verbucht.
Das entschuldigt keine einzige der Taten. Es verdeutlicht jedoch, dass mit den Statistiken Politik gemacht wird. Auf beiden Seiten. Konservativen gelingt es mit jeder neuen Gewaltzahl besser, selbst Liberale von der Notwendigkeit eines harten Durchgreifens zu überzeugen. Zudem wird gezielt links mit rechts gleichgesetzt. Kein Fußbreit den Rotfaschisten, schallt es längst auch aus der SPD. Im Gegenzug freuen sich Linksextreme über ihre gewachsene gesellschaftliche Relevanz. Sie gewinnen Macht, wo eigentlich nur Ohnmacht ist.
Denn das ist sicher: Die gefühlte Ohnmacht gegenüber sozialer Härte, Verdrängung aus Stadtteilen und Polizeigewalt hat rapide zugenommen. Statt Machtgefühle mit einer Machtdemonstration zu bekämpfen, sollte man die Ohnmacht als Motiv ernst nehmen. Denn hier liegt der Ausweg aus der Gewaltspirale. Auch die Taten der Hausbesetzerbewegung waren einst für weite Teile der Gesellschaft inakzeptabel. Entspannung gab es aber erst, als für ihre Bedürfnisse an runden Tischen nach Lösungen gesucht wurde.
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