piwik no script img

Kommentar doppelte StaatsbürgerschaftFetisch der Union

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Ein Verzicht auf das überflüssige "Optionsmodell" im Staatsbürgerschaftrecht wäre sogar ein Beitrag zum Abbau der Bürokratie in Deutschland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”

9 Kommentare

 / 
  • A
    Adrian

    Warum tun sich so viele Türken eigentlich so schwer, ihren türkischen Pass abzugegen und die deutsche Staatsbürgerschaft, die ihnen ja angeboten wird, anzunehmen?

     

    Warum zieht die Mehrheit es vor, Türke zu bleiben?

     

    Antwort: Weil die Mehrheit der Türken wesentlich nationalistischer denkt und fühlt als irgendein CDU-Politiker. Man fühlt sich dem "Türkentum" zugehörig, wie in Deutschland sich nur wenige Vollhonks dem "Deutschtum" verbunden fühlen. Die deutsche Staatsbürgerschaft bringt Erleichterungen wirtschaftlicher und juristischer Art und wird gerne mitgenommen, wenn sie möglichst voraussetzungslos erteilt wird.

     

    Das ist das, was viele Deutsche - die in Foren wie diesen natürlich direkt als "rechts" abgestempelt werden - stört.

     

    Eine Lösung könnte daher meiner Meinung nach sein, dass die doppelte Staatsbürgerschaft nur denjenigen ermöglicht wird, die erwiesenermaßen wirtschaftlich nicht darauf angewiesen sind. D.h. wer vom deutschen Sozialstaat finanziert wird, muss wählen, wer wirtschaftlich nachhaltig auf eigenen Beinen steht, kann beide Staatsbürgerschaften haben. Das wäre vielleicht eine pragmatische Lösung, die Missbrauch verhindert.

     

    Aufschrei auf der Linken!

  • S
    Shrike

    Ich würde auch sagen, dass dies ein schwieriges Thema ist.

     

    Was wäre denn, wenn sich in Land A irgendwann eine Bevölkerungsmehrheit mit doppelter Staatsbürgerschaft gebildet hätte, so dass z.B. 50-60% der Bürger von Land A auch Bürger von Land B wären ?

     

    In einem solchen Maßstab wären die politischen Verstrickungen nicht unbedenklich.

     

    Soll dann so um 2030 der türkische Wahlkampf auch in Deutschland geführt werden ?

     

    Viele Deutsche könnten dann auf den Gedanken kommen, dass die Loyalität der Doppelstaatler bedenklich zu Land B (in diesem Fall der Türkei) neigt.

     

    Auf den Aspekt der Unfairness hat Skeptiker ja bereits hingewiesen.

     

    Außerdem:

    Was ist denn, wenn zwei Personen mit Doppelpass heiraten ?

     

    Spätestens dann müssten die Kinder sich von Staatsbürgerschaften verabschieden.

     

    Und warum sollte es so falsch sein, sich entscheiden zu müssen ?

     

    Man kann schon die Frage stellen, ob mit dem Doppelpass die deutsche Staatsbürgerschaft nicht von manchen Einwanderern nur "so nebenbei" angenommen wird, gerade weil sie dafür ohnehin nichts opfern müssen.

     

    Ob dass auf Dauer gut ist ?

     

    Sicher gelten diese Argumente nicht immer und bei jedem, nicht jeder Doppelstaatler ist nur "Alibi-Deutscher" aber überdenken sollte man das schon und zwar gründlich.

     

    Und von denen, die jetzt vom 21. Jahrhundert und Bindestrich-Identitäten reden sind viele auch diejenigen, die bei Einwanderungsdebatten immer argumentieren, Einwanderung hätte es ja eh schon immer gegeben.

     

    Ja, aber nicht in diesem Maßstab und meist mit letztendlicher weitgehender Assimilation.

    Das sollte man nicht vergessen.

    Hugenotten, Ruhrpolen etc. ja, aber heute sind sie doch weitgehend mit der Mehrheitsgesellschaft verschmolzen.

     

    Und das ist ein Unterschied.

    Viele Einwanderungsbefürworter tun immer so, als ob die jüngere Einwanderungsgeschichte nur eine Kopie der alten sei und meinen, daher werde wieder alles super klappen und die Zweifler seien alle bloß unvernünftig und ausländerfeindlich.

     

    Keine realistische Einschätzung, wie ich finde.

     

    Und die. die jetzt von Weltbürgertum und "Global Citizenship" daherreden sollen mir erstmal auf Knopfdruck erläutern, welche Entwicklungen in Dänemark, Polen, Belgien und Lettland gerade das Geschehen bestimmen - von etwa Niger oder Chile ganz zu schweigen.

    Mal sehen wie sich die Weltbürger da schlagen würden.

  • UR
    Udo Radert

    Der User "Skeptiker" hat eigentlich schon (fast) alles gesagt/geschrieben, was ich auch schreiben wollte, vielleicht aber doch noch eine Ergänzung von mir:

     

    Ob etwas nun überwiegend gut oder schlecht ist, das macht vor allem auch die Dosis. - Beim Staatsbürgerschftsrecht sieht das so aus:

     

    Wir haben in Deutschland (laut der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung) ca. 15 Millionen Menschen "mit Migrationshintergrund" (Stand: Juli 2007).

     

    http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerIntegration/NationalerIntegrationsplan/nationaler-intregrationsplan.html

     

    Und das bei ca. 80 Millionen Einwohnern.

     

    "Skeptikers" Argumente betreffen also keineswegs nur eine Handvoll Leute (nämlich die im Artikel erwähnten 50.000), von denen sich einige tausend (also sehr wenige) dann nicht entscheiden können oder wollen, sondern durchaus viele Millionen.

     

    Das allerdings, würde dann aber wirklich zu einer Zweiklassengesellschaft führen, in der die Migranten in den von Skeptiker ja schon erwähnten Bereichen eindeutig besser gestellt würden.

     

    Dies aber, ist weder rechtens noch akzeptabel.

  • K
    kendal

    integration beginnt mit der staatsbürgerlichen integration, kommt es auf deren integrative wirkung an, so tritt diese auch bei mehrstaatigkeit ein, weil für die kulturelle prägung langfristig die umstände des lebensmittelpunktes maßgebend sein dürften. dieser natürliche vorgang sollte auch volksfeste politiker ermutigen, mal über sich hinauszuwachsen.

  • S
    s.fuchs

    Doppelte Staatsbürgerschaft? Kein ganz so einfaches Thema. Bedenkt man, dass sich viele Deutschtürken ganz im Sinne des amtierenden türkischen Regierungschefs stärker mit der türkischen Nation als mit Deutschland verbunden fühlen, sich viele sogar von einer westlichen Gesellschaft und ihren Werten abwenden, darf man eine gesunde Skepsis gegenüber der Einführung einer DS haben. Ich denke, man kann letzten Endes nur einem Staat gegenüber loyal sein. Die Einforderung einer solchen Loyalität hat nichts mit Nationalismus oder Fremdenfeindlichkeit zu tun.

  • AD
    Amrey Depenau

    Wer ernsthaft Integration voran treiben will, muss die Doppelte Staatsbürgerschaft befürworten. Die Menschen leben ja tatsächlich mit zwei Kulturen und genau diese Interkulturalität ist ein große Kompetenz! Das sollte sich auch in zwei Pässen ausdrücken.

  • S
    Skeptiker

    Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Es gibt auch jenseits von Ideologie und Unions-Parteiprogramm durchaus plausible Gründe einer Inflationierung der doppelten Staatsbürgerschaft skeptisch gegenüberzustehen.

     

    So ist beispielsweise mit der Staatsbürgerschaft auch das Wahlrecht verbunden und ich halte es für demokratisch fragwürdig, dass manche Bürger dadurch zwei nationale Parlamente bestimmen können und in einem vereinigten Europa somit de facto doppeltes Stimmrecht haben und zweifach repräsentiert sind - andere Bürger dies hingegen nicht sind!

     

    Dass dem Konzept der Identität Unschärfe und Pluralität innewohnen hat seinen Charme - allerdings vor dem Recht sollte Verbindlichkeit, Eindeutigkeit und vorallem GLEICHEIT ( siehe europ. Aufklärung, franz. Revolution ) herrschen!

  • IC
    Ilona Crotogino

    Auch Auswanderer erleben die seltsamen Auswuechse des “Prinzips der Vermeidung von Merhstaatlichkeit”. Als ich mich um meine Australische Staatsbuergschaft beworben habe, wollte ich wissen, ob ich nicht doch meinen deutschen Pass behalten kann. Die Australischen Behoerden hatten damit keine Probleme, aber die deutschen. Die Konsulatsangestellte hielt mir einen Antrage unter die Nase, auf dem ich nachweisen sollte, warum meine doppelte Staatsbuergerschaft notwendig sei. Mein Argument, dass meine Tochter in Deutschland lebt und ich immer noch enge Beziehungen zu meinem Heimatland habe, galt nicht. Genervt von so viel Buerokratie, bin ich Australierin geworden. Die Konsequenz: Wenn ich je wieder ein Europa arbeiten moechte, brauche ich eine Aufenthaltsgenehmigung. Und in mein Heimatland einreisen darf ich nur noch als Touristin. Das 21. Jahrhundert gruesst Deutschland - schon mal was von “Global Citizenship” gehoert?

  • C
    Curacao

    Es ist generell fahrlässig vonseiten der SPD, so kurz vor dem Superwahljahr Positionen zu vertreten, die mehr oder weniger einwandererfreundlich sind. Die Mehrzahl der Wähler sind bekanntermaßen grundsätzlich fremdenfeindlich. Vor der Bundesratswahl in Hessen 1999 versuchte die rot-grüne Regierung, das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht behutsam an den internationalen - humanitären - Standard heranzuführen. Das Vorhaben scheiterte, die junge Regierung verlor ihre Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer und stümperte sich fortan 6 1/2 Jahre als Minderheitsregierung durch. Seitdem hat sich niemand mehr getraut, migrantenfreundliche Positionen im Staatsbürgerschaftsrecht zu formulieren. Die CDU-Position ist tief im deutschen Volksempfinden verwurzelt, dass sich in dieser Frage elementar von dem modernerer Nachbarstaaten unterscheidet, da Nationalität hier ethnisch definiert wird, nicht territorial. Eine Problematik, der wir schon viele unangenehme historische Ereignisse zu verdanken haben.