Kommentar Zinssatz Libor: Der Sieger heißt Bank

Die EU hat einen windelweichen Versuch unternommen, damit die Banken ihr Manipulationsgeschäft drosseln. Ein Treppenwitz.

Da lachen sie, die EU-Finanzminister. Dabei bleiben sie die Marionetten der privaten Banken. Bild: dpa

Es geht um ungeheure Summen: Finanzkontrakte im Wert von geschätzten 500 Billionen Dollar hängen vom Referenzzinssatz Libor ab. Der Libor bestimmt, wie Derivate, Hypotheken oder Konsumkredite abgerechnet werden.

Es war daher ein Megaskandal, als öffentlich bekannt wurde, dass genau dieser Libor von 18 Banken manipuliert worden war – was den beteiligten Instituten schöne Extraprofite bescherte. Zum Skandal gehörte auch, dass die englische Aufsicht gewusst hatte, dass beim Libor geschummelt wurde. US-Behörden hatten darauf jahrelang empört hingewiesen. Doch in London tat sich: nichts.

Es ist daher ein Treppenwitz der Geschichte, dass die britische Aufsicht auch in Zukunft dafür zuständig sein soll, den Libor zu überwachen. Die Briten haben sich mit ihren Standortinteressen durchgesetzt, was nicht nur die EU-Kommission beschädigt – sondern vor allem die neue europaweite Aufsichtsbehörde Esma. Sie hat fast nichts zu sagen, wie wieder einmal deutlich wurde.

Allerdings ist nicht nur die Aufsicht ein Problem beim Libor. Mindestens genauso seltsam ist, wie dieser Referenzzins bestimmt wird: Die Banken melden, zu welchen Zins sie sich selbst refinanzieren. In der Vergangenheit nutzten sie dafür aber nicht etwa ihre tatsächlichen Transaktionen – stattdessen gaben sie Schätzwerte ab. Dieses muntere Schätzen war der Grund, warum der Libor genauso munter manipuliert werden konnte.

Doch am Schätzverfahren dürfte sich auch in Zukunft nicht viel ändern. Die EU-Kommission will zwar vorschreiben, dass „nach Möglichkeit“ echte Transaktionsdaten zu verwenden sind. Diese Formulierung ist jedoch windelweich, was viel Interpretationsspielraum zulässt. Die Banken werden diese Vagheit bestimmt zu nutzen wissen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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