Kommentar Zensus: Wir sind gläsern
Trotz Datenpannen überall, die Volkszählung regt keinen auf - nicht mal in Berlin. Für die "Generation Facebook" ist es selbstverständlich, im Netz viel von sich preiszugeben.
E s ist Volkszählung - und keinen interessiert's. Proteste, wie beim Zensus 1987? Fehlanzeige. Dabei gehen die Fragen tiefer als vor 25 Jahren. Von allen Grundstücksbesitzern sowie den Bewohnern von Gemeinschaftseinrichtungen werden die Daten gesammelt. Mehr als eine Million Menschen in Berlin und in der Region betrifft die Erhebung direkt, die über Einwohnerzahlen, Einkünfte, Geschlecht, Bildung, Gebäude und Infrastruktureinrichtungen Auskunft geben soll.
Berlin braucht Daten für seine politische Zukunftssteuerung. Doch blindes Vertrauen in die Datenerhebung ist naiv. Sicher, wir gehen heute lässiger mit privaten Informationen um. Wer macht sich schon Gedanken über die Speicherung seiner Daten, wenn er mit Kreditkarte bezahlt?
Unsere Adressen, Jobs, Texte sind online abrufbar. Für die "Generation Facebook" ist es selbstverständlich, möglichst viel von sich im Internet preiszugeben. In E-Books und Navis sind Funkmodems eingebaut. Wir sind längst gläsern geworden.
Das allein spricht nicht gegen den Zensus, doch wo Daten gespeichert werden, entstehen Begehrlichkeiten. Das genau ist der Punkt. Die Datenschranken erodieren, sowohl die Datenpannen als auch die -skandale haben in den letzten Jahren zugenommen. Nicht nur bei Lidl und der Bahn AG, auch in den Behörden Berlins wurden Daten missbraucht.
Wenn parallel zum Zensus auf die Forderung des obersten Datenschützers Peter Schaar, endlich klare "Rote-Linie"-Schutzgesetze zu erlassen, reagiert worden wäre - ich würde vielleicht gern gezählt. So nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund