Kommentar Wulff und die "Bild": Die Gesetze des Boulevards
Christian Wulff hätte diesen guten Rat beherzigen sollen: Wer im Aufzug mit der "Bild" nach oben fährt, der fährt mit ihr auch wieder runter. So ist es, Herr Bundespräsident.
S o etwas nennt man wohl lernresistent. Wie gehabt versucht Bundespräsident Wulff mit allen Mitteln, die Veröffentlichung von Informationen zu kontrollieren. Waren es vor wenigen Wochen Kreditabsprachen, zu denen das Staatsoberhaupt sich erst bekannte, als es nicht mehr anders ging, geht es jetzt um das wohl berühmteste Telefonat der jüngeren Zeitgeschichte.
In einem auf bild.de veröffentlichen Briefwechsel bat Bild-Chef Diekmann um die Druckgenehmigung der Mitschrift des umstrittenen Telefonats. Wulff wiederum wies auf der Internetseite seines Amtes das Ansinnen mit dem Verweis auf Vertraulichkeit zurück.
Zunächst wird Bild die Mitschrift wohl nicht veröffentlichen. Gleichwohl ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand findet, der druckt, was großzügig in Journalistenkreisen gestreut wird.
ist Chefredakteurin der taz.
Worum geht es eigentlich? Um Pressefreiheit? Ausgerechnet mit der Bild-Zeitung als Speerspitze - dem Blatt, das dafür bekannt ist, alle ethischen Grundsätze zu brechen, wenn es denn der Auflage dient?
Und was ist bei dem Bundespräsidenten los? Wie naiv muss man sein, zu glauben, man könne ein Imperium wie die Bild-Zeitung daran hindern, in die Öffentlichkeit zu tragen, was es will? Oder hat Wulff am Ende die Hoffnung, dass die seriöse Presse sich nun angewidert abwendet von diesem Schmierenkampf?
Das ist nicht möglich. Zwar wollen sich die Qualitätszeitungen mit guten Gründen nicht vor den Karren der Springer-Presse spannen lassen. Aber die Rücktrittsforderungen muss sich Wulff selbst zuschreiben: Ein ums andere Mal hat er sich in Halbwahrheiten verstrickt, um dann viel zu spät um Verzeihung zu bitten.
Letztlich hätte Wulff auf Springer-Vorstandschef Döpfner hören sollen. Der sagt, wer mit Bild "im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten". So, Herr Bundespräsident, sind sie, die Gesetze des Boulevards.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga