Kommentar Wohlstands-Index: Glücklich sind die Dummen
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat erstmals das "deutsche Glücks-Bruttoinlandsprodukt" ermittelt. Doch ökologische Fragen etwa spielen dabei überhaupt keine Rolle.
Wachstum allein macht nicht glücklich - das ist nicht erst seit Wirtschaftskrise und Klimawandel eine Binsenweisheit. Um Lebensqualität zu messen, reichen traditionelle ökonomische Kriterien nicht aus. Gefragt ist ein Wirtschaftsmodell, das nicht auf dem Prinzip des "Schneller, Billiger, Mehr" basiert, sondern auf nachhaltigen Wohlstand zielt. Das zu entwickeln, ist allerdings kompliziert: Auch reproduktive Arbeit und Schattenwirtschaft müssen dabei berücksichtigt werden, sowie ökologische und soziale Aspekte wie Ressourcenverbrauch, Schadstoffausstoß, Artenvielfalt, Chancengerechtigkeit. Nicht umsonst haben selbst Topwissenschaftler wie Nobelpreisträger Joseph Stiglitz bislang nur grobe Entwürfe für solch ein alternatives Wirtschaftsmodell vorgelegt.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft greift diese Debatte nun auf und hat erstmals das "deutsche Glücks-Bruttoinlandsprodukt" ermittelt. Damit ist aber nur individuelle Lebenszufriedenheit gemeint - ökologische Fragen etwa spielen dabei überhaupt keine Rolle. Als Maßstab für nachhaltige Entwicklung taugt dieser Wohlstandsindex deshalb nicht. Schließlich kann es genauso viel Spaß machen, sich ein schnelles Auto zu kaufen, wie einen Baum zu pflanzen.
Beate Willms ist Redakteurin im Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Das Manöver ist mehr als durchsichtig. Indem sie ihre "Glücksdiagnose" in die gleichen Empfehlungen an die Politik ummünzen, wie man sie von jeder Analyse des deutschen Ökonomen-Mainstreams kennt, diskreditieren die Autoren ihre eigene Arbeit gleich selbst: Flexibilisiert den Arbeitsmarkt, subventioniert die Häuslebauer und belohnt die Besserverdienenden! Das ist selbst für einen Lobbyverband, der von Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird, zu billig.
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