Kommentar Westerwelle, Kultur und China: Deutsche Diktaturliebhaber
Der kritische Sinologe Spengler bekam kein Visum für die Reise mit Westerwelle nach China. Als ein Journalist danach fragt, kriegt er Buhrufe vom deutschen Publikum. Ein Skandal.
B evor Außenminister Guido Westerwelle in Berlin womöglich als FDP-Vorsitzender zurücktritt, hat er in Peking am Wochenende die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" eingeweiht. Er und seine Diplomaten lobten die Schau über den grünen Klee. Auch die drei Museumsdirektoren aus Berlin, Dresden und München konnten gar nicht aufhören, sich selbst und ihre Zusammenarbeit zu preisen.
In einem hatten sie recht: Es sind wunderbare Kunstwerke, die das Publikum in Chinas Nationalmuseum besichtigen kann. Der Fehler: Die deutschen Organisatoren taten so, als könnten sie ihren Gastgebern zugleich eine Debatte über aufklärerische Ideen wie Gedankenfreiheit unterjubeln, am Platz des Himmlischen Friedens.
Doch in China landen in diesen Tagen Bürgerrechtler, Autoren, Anwälte in Haft oder im Hausarrest, andere verschwinden. Am Sonntag wurde der Künstler Ai Weiwei am Pekinger Flughafen festgenommen, der Schriftsteller Liao Yiwu durfte Samstag nicht ausreisen, weil er "die nationale Sicherheit gefährden" könnte.
Die chinesische Regierung straft auch Deutsche, die sich nicht selbst zensieren wollen: Der Sinologe Tilman Spengler hatte im Jahr 2010 eine Laudatio auf den Dissidenten Liu Xiaobo gehalten. Nun durfte er nicht mit Westerwelles Delegation nach China einreisen, weil er die "Gefühle des chinesischen Volkes" verletzt habe.
Die Gefühle der deutschen Organisatoren und Geldgeber wie BMW und VW hat das Einreiseverbot nicht verletzt. Als ein Journalist in Peking nach Spengler fragte, erntete er nicht Beifall, sondern Buhrufe - vom deutschen Publikum, von Geschäftsleuten und Managern. Dieses Verhalten ist ein Skandal. An diesen Landsleuten ist der Geist der Aufklärung vorbeigezogen.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza