Kommentar Weltwirtschaftskrise: Eine Depression wie 1929?
Betrachtet man den Verlauf des deutschen Aktien-Index DAX ist von Krisenstimmung wenig zu erkennen. Ein Absturz der Kurse muss jedoch befürchtet werden.
I st die Wirtschaftskrise vielleicht nur eingebildet? Wer den deutschen Aktien-Index DAX betrachtet, der könnte diesen Eindruck gewinnen: Er steht wieder bei knapp 4.000 Punkten. Auf diesem Niveau lagen die Aktienkurse zuletzt im Jahr 2004 - und damals gewann die Weltwirtschaft an Fahrt. Die Anleger scheinen jetzt also wieder recht optimistisch zu sein. Genau genommen sind sie sogar extrem zuversichtlich, denn viele Aktienwerte aus der Industrie haben fast gar nicht gelitten. Bisher geht das Minus im DAX vor allem auf die Finanztitel zurück - so ist die Commerzbank nur noch rund 2,80 Euro wert. Vor einem Jahr stand die Aktie noch bei etwa 17 Euro.
Ulrike Herrmann ist finanzpolitische Korrespondentin der taz.
Rechnet man also die Banken aus dem DAX heraus, dann scheint in der Wirtschaft viel Freude zu herrschen. Dieser Optimismus ist eigenartig, denn gleichzeitig überbieten sich die Forschungsinstitute mit negativen Wachstumsprognosen.
Im Durchschnitt wird jetzt erwartet, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um etwa vier Prozent schrumpfen dürfte. Das wäre beispiellos in der Nachkriegsgeschichte. Aber vielleicht erklärt ja gerade diese Einzigartigkeit der derzeitigen Krise, warum die Aktienkurse nicht schneller nachgeben: Den Anlegern fehlt schlicht die Erfahrung und damit die Fantasie, sich vorzustellen, was eine tiefe Rezession bedeutet. Das Börsenspiel ist so eingeübt, dass es erst einmal weitergespielt wird. Der DAX wird damit zu einem typischen Symbol der derzeitigen Krise: Sie wirkt noch immer unwirklich, obwohl sie sich täglich verschärft.
Dieser Verdrängungsmechanismus scheint typisch zu sein, wie man aus der entfernteren Geschichte weiß: Auch in der Großen Depression ab 1929 gab es immer wieder Phasen, in denen sich die Börsen scheinbar erholten. Erst 1933 hatten sie dann den totalen Tiefpunkt erreicht, waren die meisten Werte komplett entwertet. Ein ähnlicher Absturz ist auch diesmal recht wahrscheinlich. Denn bisher verläuft die Aktienkurve ab 2007 weitgehend parallel zu jener ab 1929. Der DAX wirkt momentan zwar recht robust, aber die Geschichte zeigt, dass dies nicht mehr sein könnte als ein Anzeichen, dass diese Rezession besonders lange währt.
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