piwik no script img

Kommentar Wahlen im IranGefährliches Spiel in Teheran

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Ali Akbar Haschemi Rafsandschani ist zu alt für die Präsidentschaftswahlen. Tatsächlich war dem Wächterrat der Kandidat einfach zu mächtig.

Wurde nicht zur Wahl zugelassen: Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Bild: dpa

E s klingt wie ein Scherz. Ali Akbar Haschemi Rafsandschani ist einer der Väter der iranischen Revolution, Expräsident und Vorsitzender des Schlichtungsrats. Eine bessere Biografie kann man in der Islamischen Republik kaum haben. Doch der Wächterrat hat ihn für die Präsidentschaftswahlen am 14. Juni disqualifiziert. Fadenscheinige Begründung: Rafsandschani sei zu alt.

Tatsächlich hat sich das erzkonservative Establishment im Dienste des obersten geistlichen Führers Ali Chamenei schlicht einen mächtigen Kandidaten vom Hals geschafft. Rafsandschani hatte zuletzt Sympathie für die oppositionelle „grüne Bewegung“ gezeigt.

Gleichzeitig darf auch der Kandidat des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, Esfandiar Rahim Maschai, nicht antreten. Das konservative Lager wirft den beiden volksfrömmelnden Nationalisten schon lange vor, den Iran über den Islam zu stellen. Und das ist pfui in einer Theokratie.

Silke Mertins

Ist Autorin der taz.

Mit dieser Entscheidung entfremden sich die politischen Strippenzieher einen großen Teil der iranischen Bevölkerung. Die Mittelschicht in den urbanen Zentren des Landes sehnt sich nach Reformen und Freiheiten. Sie reagierte geradezu euphorisch auf die Kandidatur Rafsandschanis. Ahmadinedschad, der Maschai als Stellvertreter ins Rennen schicken wollte, ist in den ärmeren Schichten der Städte und bei der Landbevölkerung sehr populär. Darüber hinaus zählen auch nationalistisch eingestellte Studenten, die Ahmadinedschads Krawalldiplomatie schätzen, zu seinen Anhängern.

Wen wählen?

All diese Wähler wissen nun nicht mehr, wem sie ihre Stimme geben sollen. Die aussichtsreichen Kandidaten, die zugelassen wurden, sind verschiedene Sorten von Chamenei-Getreuen. Die beiden verbliebenen Reformkandidaten gelten als Außenseiter. Folglich werden viele gar nicht wählen. Eine geringe Wahlbeteiligung wiederum stellt im Iran immer auch die Legitimität des Systems infrage.

Mit der Wahl werden die Erzkonservativen de facto in allen politischen Machtzentren „durchregieren“, erstmals seit 1979. Schon kursieren Gerüchte, das religiöse Establishment wolle die demokratischen Elemente der Theokratie ganz abschaffen. Ein gefährliches Spiel. Die Reformer und Ahmadinedschad-Anhänger mögen sich spinnefeind sein. Wenn beide Lager auf die Barrikaden gehen, dürfte es ungemütlich werden in den Studierzimmern der Fundamentalisten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • I
    Ika

    "Eine geringe Wahlbeteiligung wiederum stellt im Iran immer auch die Legitimität des Systems infrage."

     

    Nicht nur im Iran.