Kommentar Wahlen im Iran: Zivilgesellschaft mobilisiert
Weit eher als ein Votum für Rohani ist das Wahlergebnis eines gegen Revolutionsführer Ali Chamenei. Er hatte Ahmadinedschads radikale Positionen unterstützt.
D ie Wahl des moderaten Klerikers Hassan Rohani zum neuen Staatspräsidenten hat bei Millionen Iranern große Hoffnungen geweckt. Innerhalb einer Woche wurden die iranische Zivilgesellschaft und all jene, die unter der wirtschaftlichen Katastrophe, den staatlichen Repressionen, der Zensur der Presse- und Meinungsäußerung und der internationalen Isolation des Landes zu leiden haben, mobilisiert.
Weit eher als ein Votum für Rohani ist es eines gegen Revolutionsführer Ali Chamenei, der in den vergangenen acht Jahren wie ein Despot das Land regiert hat. Er war es, der sich hinter Präsident Ahmadinedschad gestellt und dessen radikale Positionen unterstützt hat, und er ist es, der die wichtigsten Entscheidung in der Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik zu verantworten hat.
Wie weit nun Rohani imstande sein wird, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen, ist schwer einzuschätzen. Rohani ist ein Mann des Systems, er ist kein Reformer, gehört jedoch zu den moderaten Konservativen. Er lehnt radikale Positionen ab, sein Ziel ist der nationale Konsens, eine Regierung, die von allen Strömungen im islamischen Lager getragen wird.
ist Publizist. Er war in der deutschen Studentenbewegung von 1968 aktiv und erlebte die Iranische Revolution 1979 vor Ort. Heute lebt er in Berlin.
Ihm gegenüber stehen nun mächtige Instanzen, die nach wie vor radikale ideologische Ziele verfolgen. All jene, die in den vergangenen acht Jahren die Politik Ahmadinedschads mitgetragen haben, verfügen über Schlüsselpositionen in der Politik, und die Wirtschaft wird von ihnen kontrolliert.
Das Einzige, was Rohani dieser geballten Kraft entgegensetzen kann, ist das Votum der überwiegenden Mehrheit des Volkes. Der Reformpräsident Chatami hatte es zu seiner Zeit versäumt, diese Kraft einzusetzen, er versuchte, die Probleme durch Konsens mit den Radikalen von oben zu lösen. Sollte Rohani denselben Weg gehen, wird er scheitern.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier