Andreas Behn über den Wahlausgang in Brasilien
: Erschreckende Normalität

Es war ein tragischer Wahltag in Brasilien. Erschreckend war schon die Normalität, ja geradezu Gleichgültigkeit, mit der das vorhergesagte Ergebnis und der tiefe Einschnitt in die Geschichte des Landes zur Kenntnis genommen wurde. Viele Millionen Menschen gaben dem erklärten Rechtsextremisten Jair Bolsonaro ihre Stimme. Ab dem 1. Januar 2019 wird ein Befürworter von Folter, der sich über Bevölkerungsgruppen lustig macht und politische Gegner in den Knast stecken will, das größte Land Lateinamerikas regieren.

Es ist ein dramatisches Signal. Der Rechtsruck in der Region ist endgültig besiegelt. Und die Linie, die menschenverachtende Diskurse und ihre Umsetzung in der Praxis notdürftig begrenzte, ist weit nach rechts verschoben worden. Tödliche Polizeischüsse, Vertreibung von Indígenas, Morde an Andersdenkenden oder -aussehenden und die Abholzung des Amazonaswaldes sind jetzt demokratisch legitimiert.

Die Hoffnung, dass Bolsonaro nicht all das umsetzen wird, was er ankündigt, ist nachvollziehbar. Nur gibt es wenig Anlass für diese Hoffnung. Die rechtsstaatlichen Institutionen in Brasilien, allen voran die machthörige Justiz und die Medien, machen nicht den Eindruck, dass sie seinem Tun Einhalt gebieten würden. Zumal es nicht nur um seine Taten geht: Genau wie er behauptete, keine Schuld an den Fakenews zu haben, genauso wird er es nicht verantworten, wenn Schlägertrupps, Milizen und skrupellose Landbesitzer das umsetzen, was er zuvor als notwendige Säuberung bezeichnete.

Die größte Verantwortung für diese fatale Wahl trägt die politische Elite, die für ihren eigenen Machterhalt alles in Kauf nimmt. Sie hat mit tatkräftiger Unterstützung der Medien ihr politisches Gegenüber, die Arbeiterpartei, verteufelt und als das grundsätzlich größere Übel dargestellt. Und gleich nach der Wahl heucheln die Kommentatoren fast unisono wieder Normalität: Sie glaubten und lobten Bolsonaros Ankündigung, die Verfassung zu respektieren und inneren Frieden herstellen zu wollen.

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