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Kommentar Wahl in BelgienFlämische Bombe

Kommentar von Tobias Müller

Der Erdrutschsieg der flämischen Nationalisten gefährdet die belgische Föderation. Die Flamen wollen auf allen Ebenen an die Regierungsmacht.

Bart de Wever und seine flämisch-nationalistische Partei N-VA sind die Sieger der belgischen Kommunalwahlen. Bild: reuters

B art De Wever braucht nicht die Stimme zu erheben, um Eindruck zu machen. Politische Kampfansagen formuliert der Chef der flämisch-nationalistischen Partei N-VA, ohne eine Miene zu verziehen. Sonntagabend, nach dem N-VA-Erdrutschsieg bei den belgischen Kommunalwahlen, forderte er Premierminister Di Rupo auf, Belgien gemeinsam zu einer Konföderation umzuwandeln. Mit den ungeheuren Gewinnen der Nationalisten im Rücken wurde der Aufruf zur Drohung. Das frankofone Belgien zitterte noch am nächsten Tag vor Schreck.

Die Agenda in dem komplexen mehrsprachigen Land scheint damit vorerst klar: Krisenstimmung zwischen den Parteien der verschiedenen Sprachgruppen, wieder einmal. Und auch das ist bekannt: Das Gerede vom „Ende Belgiens“ beginnt wieder. Es ist nicht so, dass dies unmittelbar vor der Tür stünde. Doch muss kein Prophet sein, wer prognostiziert, dass seit Sonntag nun eine Zeitbombe unter der föderalen Regierung Elio Di Rupos liegt, die vor kaum einem Jahr so mühsam gebildet wurde.

Was die Bedeutung der Kommunalwahl vom Sonntag betrifft: Nie hat De Wever, nie hat die N-VA einen Zweifel daran gelassen, dass diese weit über die Rathäuser hinausreicht. Gleiches gilt für die Zukunft: „Wir machen weiter. Wir wollen den Flamen auf allen Ebenen die Regierung geben, die sie sich wünschen“, so seine Ansprache, die mit den Ambitionen der N-VA nicht hinter dem Berg hielt.

Bereits 2014 stehen in Belgien wieder Parlamentswahlen an. Und der flämische Löwe, in den Kreisen De Wevers obsessiv verehrt, ist noch lange nicht satt. Für Parteien, denen an einer Zukunft des multilingualen Belgiens gelegen ist, wird es allerhöchste Zeit, aus der Deckung zu kommen. Und dass niemand sage, er sei nicht gewarnt worden.

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14 Kommentare

 / 
  • U
    Udo

    Die deutschsprachigen Belgier, insbesondere im Raum Sankt Vith, aber auch in Eupen, würden wohl mehrheitlich lieber zu Luxenburg.

    Ich glaube aber nicht, dass es zu einer Spaltung Belgiens kommt. Dafür gibt es heute schon zu große regionale, sprachliche und kulturelle Autonomie.

  • W
    wauz

    Problem durch Liegenlassen erledigen

     

    Eigentlich ist für Europa nur die Region Brüssel interessant und die funktioniert. Sollen die halt einen Zaun um sich bauen und sozusagen der Vatikanstaat der EU werden. Der Rest mag sich nach Belieben in kleinen Königreichen organisieren. Sorgen wir also dafür, dass sie nur mit Keulen und Steinen bewaffnet sind und lassen sie machen.

     

    Satire-Lampe: an --> |==*´.

  • A
    alf

    es gibt ja nicht nur die flamen, die selbständig sein wollen (zu den niederlanden besteht da eher eine herzliche ablehnung), sondern auch die belgier, die weiter gemeinsam leben wollen, wallonen die nicht zu frankreich möchten und die deutsche minderheit. belgien ist doch jetzt schon sehr förderal, so wirklich große änderungen kann der N-VA da nicht erzielen.

  • A
    Arne

    Schlimmeres nationalistisches Zeug habe ich selten in der TAZ gelesen.

    Warum dürfen Staaten sich nicht mehr spalten? Angeblich geht es doch auf ein gemeinsames Europa zu. Anfang der 80er Jahre forderten dies auch die Grünen, ein Europa der Regionen.

    Der Autor des Kommentars erklärt mit keinem Wort, warum Menschen, die eine regionalere Selbstbestimmung wollen wie die Katalanen, jetzt auch die Schotten oder früher die Kosovaren, die Bosnier, die Kroaten alles fiese Nationalisten sind.

  • M
    miri

    Das multilinguale Belgien erhalten? Das wollten die Flamen auch mal, d.h. sie wollten ihre Sprache auf Augenhöhe mit dem Französischen sehen, sie wollten, dass wallonische Kinder Flämisch lernen, so wie flämische Kinder selbstverständlich Französisch lernen, damit alle Belgier in der Wallonie sich auf Französisch verständigen und in Flandern Flämisch sprechen. Auch Wallonen. Aber das taten sie nicht. Die Flamen wurden in so'n Nebenrolle geschoben, sie fühlen sich kulturell nicht respektiert. Wer bringt denn da das multilinguale Projekt zum Scheitern?!

     

    Belgien ist nur ein Wort. Identifizieren tun sich Menschen mit ihrer Kultur. Da spielt die Musik.

  • MW
    Malte Woydt

    Quatsch.

     

    Nehmt doch bitte nicht De Wevers Wunschdenken als Realität. In Brüssel und der Wallonie sind die Politiker vollauf mit ihren eigenen Kommunalwahlergebnissen beschäftigt. Da zittert überhaupt niemand.

     

    Eher werden amüsierte Seitenblicke auf Antwerpen geworfen: Eine absolute Mehrheit hat nämlich auch De Wever nicht mit seiner N-VA. Er muß jetzt Koalitionsverhandlungen führen mit Leuten, die er im Wahlkampf verprellt hat. Und was den Rest von Flandern angeht: Von wenigen Orten abgesehen, sieht er seine Partei mal wieder überall ungerecht behandelt. Er jammert, in zu vielen Gemeinden in die Opposition gezwungen zu werden.

     

    Soll er doch mal zeigen, daß er außer reden auch regieren kann. Wenn er versucht, eine Großstadt in dem Jammerton zu regieren, den er sich heute anmißt, dann geht das bald schief :-)

     

    Ich weiß übrigens auch nicht, wo "Flamen auf dem Vormarsch" sein sollten. In Flandern wählen die Flamen Flamen, in der Wallonie die Wallonen Wallonen. Auch für die taz steht Spektakel vor Realität.

  • O
    Oodle

    Problem gibt es genug: Wer kriegt den König? Wo soll die deutsche Sprachgemeinschaft hin? Die Flamen wollen übrigens gar nicht zu den Holländern, sondern in die Unabhängigkeit. Frankreich kann getrost auf die wirtschaftlich schwache Region Wallonien verzichten. Die Sprachgemeinschaften decken sich übrigens nicht zu 100% mit den Regionen, soll man die dann ethnisch säubern? Und was wird aus Brüssel? Das Jerusalem Westeuropas? Hört sich alles nicht sehr verlockend an.

  • F
    friedbert

    @Horsti, sicher das Sie hier richtig sind?

    Belgien ist eine Kulturnation mit

    eigenständigiger Geschichte

    und keine abgesprengte Provinz der Franzosen

    oder Niederländer.

    Das ist genauso dümmlich, wie die multilinguale

    Schweiz als versprengten Teil von Österreich

    Frankreich und Italien zu definieren.

    Nieder mit den Monokulturalismus innerhalb

    der EU und der Zersprengung innovativer

    Nationalstaaten.

    Die EU ist es nicht wert und die Spekulanten

    und demokratischen Verfassungsfeinde schon

    gar nicht!

    Bewährtes wirft man nicht einfach über Bord.

    Die Zukunft dieser Völker setzt man nicht

    auf das Spiel.

     

    Denkt an die ETA in Spanien, soll man

    Bombern die Regentschaft über ein Volk erlauben??!

    Achtet die Staaten und bekämpft die

    hochmotivierten neuen Provinzfürstengeschlechter.

    Die Staaten Europas sind keine Drecksnester mehr!

  • JU
    Ja und?

    Sollen die Flamen nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden dürfen?

    Wieso hofiert man gleichzeitig Kurden, Katalanen, Basken und Kosovoalbaner sowie Bestrebungen der Schotten wenn man dies den Flamen nicht zustehen mag?

    Wo ist der Freiheitsgedanke links, wo rechts? Und wer ausser den ansässigen Volksgruppen hat ein Recht zu äussern was richtig ist?

    These: Würden sich die armen Wallonen nach Unabhängigkeit sehen, es wäre "Freiheitskampf". Schliesslich sind die arm, also unterdrückt, also gut und sowieso links.

  • G
    Gerhard

    Viele der künstlichen Staatsgründungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind inzwischen zerbrochen oder drohen zu zerbrechen. In diesen Phasen haben natürlich die nationalistischen Parteien, eigentlich wäre es korrekter, von völkischen Parteien zu sprechen, die Oberhand. Belgien gehört zweifellos dazu. Es dürfte ebenso wenig als Staat zu halten sein wie Jugoslawien nach dem Tode Titos. Wir können nur hoffen, dass diesmal die Folgen nicht blutig sein werden.

     

    In dem auf irgendwelchen Kongressen künstliche Staatsgrenzen quer durch Stammesgebiete gezogen werden (so war es hauptsächlich in Afrika) oder willkürlich verschiedenen Völkerschaften zu einem Staat vereinigt werden, braucht man sich über die Folgen eigentlich nicht zu wundern. Wundern würde es eher, wenn es trotzdem über Jahrhunderte hinweg gut geht.

     

    Wie lange gehört die Bretagne schon zu Frankreich? Richtig, seit dem hundertjährigen Krieg. Trotzdem gibt es dort heute noch Ressentiments gegen die französische Herrschaft.

  • L
    Lexi

    Lieber Horsti, das Problem ist, dass diesen Unsinn niemand will. Die Nationalstaaten haben in einem vereinigten Europa ausgedient. Deshalb wird Belgien zerlegt, genau so wie Großbritannien, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland auch. Politik muss wieder dorthin, wo sie hin gehört - vor Ort zu den Bürgern. Die Regionen müssen gestärkt werden. Alles andere ist Unsinn. Ein vereinigtes Europa wird nur dann gelingen, wenn die Regionen endlich wieder was zu entscheiden haben. Nur davor haben die Horstis dieser Welt natürlich Angst. Weil sie dann nämlich den Arsch hoch bekommen und statt dämliche Stammtischparolen brüllen endlich mitarbeiten müssten.

    Flamen an die Flamen und die Wallonie an die Wallonen. Wo ist das Problem?

  • B1
    Buerger 1972

    Und wohin mit den deutschsprachigen Belgien in en Ost-Kantonen?

  • X
    Xavro

    @Horsti: Das Problem dürfte wohl sein, dass die protestantischen Niederländer die katholischen Flamen nicht wollen und die Franzosen nicht die chronisch strukturschwache Wallonie. Und was ist mit dem deutschsprachigen Ostbelgien? Ein neues Bundesland für Deutschland? Tja und dann wäre da noch Brüssel, die frankophone Insel in Flandern - Frankreich oder Niederlande?

  • H
    Horsti

    Ja, Mensch, dann teilt doch diesen von den Briten gegründete Pseudo-Staat auf: Flamen an die Niederländer, Wallonien nach Frankreich.

    Wo ist das Problem?