Kommentar Urheberrechte: Wäre ich ein großer Rechteverwerter
Das Schlimmste, was den Kulturverwertern passieren könnte, ist eine Emanzipation der Urheber. Es ist deshalb eine Schande, wie der Tonfall der Debatte ist.
W äre ich ein großer Rechteverwerter, mich würde die aktuelle Urheberrechtsdebatte freuen. Seit Jahren wäre meine öffentliche Position nichts als Pein gewesen, ich hätte mühsam das Feindbild vom kriminellen Raubkopierer aufbauen und eine ganze Nutzergeneration kriminalisieren müssen, Studien missdeuten und Gesetze gutheißen müssen, deren Auswirkungen ich mühsam verschleiern müsste.
Vor allem hätte ich fürchten müssen, dass meine Urheber mehr von den Chancen des Internets begreifen als ich – wenn das passiert wäre, hätte ich bestimmt gar keine Freunde mehr gehabt. In einem Satz, ich wäre fortwährend in der Defensive gewesen.
Jetzt nicht mehr. Es war so einfach! Da bricht Sven Regener ein Staudamm im Hirn, woraufhin er fünf Minuten lang Richtiges, Halbrichtiges und ganz Falsches bunt durcheinander ins Mikrofon erbricht, und dann kommen 51 Tatort-Drehbuchschreiber ums Eck und beklagen sich bitter über die Netzgemeinde, als wäre das der Feind.
ist Autor der taz.
Zum ersten Mal seit langer Zeit könnte ich mich beruhigt zurücklehnen, um zuzusehen, wie sich Urheber und Publikum gegenseitig beschimpfen. Endlich wäre ich aus der Schusslinie und könnte mit meinesgleichen so tun, als wären wir die Kreativen, um uns in deren Fahrwasser als Garanten für Kultur, Fortschritt, Freiheit und Zivilisation aufführen.
Zu durchsichtig? Keineswegs. Die Reaktionen auf Regener und die Tatort-Drehbuchschreiber wären genau in meinem Sinn: Es begann mit Fritz Effenbergers vielbeachtetem Rant, ging weiter mit dem sehr unterhaltsamen, aber doch ziemlich süffisanten Antwortschreiben der 51 CCC-Mitglieder und endete vorläufig mit der Pressemitteilung der Piratenpartei, der offene Brief der Drehbuchautoren sei schlicht keine Diskussionsgrundlage. Man kann es auch klarer sagen: Ihr seid doof, euch braucht man nicht ernst zu nehmen.
Bitte nicht abkanzeln!
Es ist eine Schande, dass Regeners Rant die Tonlage vorgegeben hat für die nachfolgende Debatte. Es geht da durchaus ein Bruch durch die Urhebergemeinde: jene, die die Herausforderungen, die das Netz an die bestehende Ordnung stellt, verstehen und gelöst wissen wollen.
Also jene, die nicht vergessen haben, dass das bestehende Urheberrecht ihnen und ihresgleichen nicht eben Wohlstand im Überfluss gebracht hat, häufig nicht einmal ihre Existenz sichert und das Arbeiten mit Rechteverwertern nicht immer angenehm ist. Und den anderen, weniger netzaffinen, die das Internet nach wie vor als Bedrohung wahrnehmen; und gerade die gilt es aber zu überzeugen, nicht abzukanzeln.
Marina Weisband hat gerade in einem anderen Zusammenhang gesagt, das Internet verleite Diskutanten dazu, sich gegenseitig hochzuschaukeln. Es gibt eine gewisse Tradition des Schimpfens und der Beschimpfung im Netz, die Leuten, die nicht damit sozialisiert wurden, anmaßend, bedrohlich und (jadoch) unzivilisiert vorkommt.
Das ist schön für den Lesenden, denn wer auf einen Rant mit einem Rant antwortet, hält den Unterhaltungsfaktor hoch; allerdings zu dem Preis, dass der Gegenüber sich kaum auf Argumente einlassen wird. Und dadurch ein Einverständnis verhindert wird.
Wäre ich ein großer Rechteverwerter, wäre das meine größte Angst: dass sich die Urheber, von denen ich lebe und durch die ich verdiene, emanzipieren und eine eigene Position entwickeln. Dann könnte ich nämlich nicht mehr einfach nur behaupten, unumgänglich notwendig zu sein, sondern müsste das auch mal beweisen.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Kommentars stand als Autor eines Rants zunächst Holger Klein statt Fritz Effenberger. Wir bitten um Entschuldigung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei