Kommentar Unruhen in Frankreich: Bis in die Zentren der Städte
Die Brandanschläge, die schon lange die sozialen Brennpunkte verlassen haben, sind Ausdruck von gesellschaftlicher Gewalt, mit der das ganze Land konfrontiert ist. Dauerhaft.
Nationalfeier à la française - könnte man sagen: Es ist ein Ritual geworden, dass rund um den 14. Juli nicht nur Feuerwehrbälle, Militärparaden und Gartenpartys stattfinden, sondern auch hunderte von Autos brennen. Am Morgen danach gehen die Versicherungsexperten an die Arbeit, während viele Franzosen ratlos mit den Schultern zucken. Vermelden die Medien die Zündelei, dann so knapp und lapidar, als handele es sich um die Wettervorhersage.
Doch das Phänomen ist alles andere als eine Banalität. Die Brandanschläge, die schon lange die sozialen Brennpunkte in den Vorstädten verlassen haben und in die Zentren der Städte vorrücken, sind ein Ausdruck von gesellschaftlicher Gewalt, mit der das ganze Land konfrontiert ist. Dauerhaft. Bislang hat niemand eine Lösung gefunden. Erst haben es die Rot-Rosa-Grünen mit massiven sozialen Programmen versucht. Dann hat sich Nicolas Sarkozy als Hardliner angedient: als der Mann, der mit polizeilicher und juristischer Härte, mit drakonischen Strafen auch für Minderjährige und mit dem Bau neuer Gefängnisse und geschlossener Erziehungsanstalten für Ordnung sorgt. Er versuchte dies schon in seiner Zeit im Innenministerium. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren praktiziert er es aus dem Élysée-Palast heraus.
Doch das Resultat ist identisch: die Gewalt geht weiter. Gerade in den letzten Tagen hat sich an verschiedenen Orten Frankreichs gezeigt, dass es unter der Oberfläche brodelt; dass Ereignisse wie der Unfalltod an einer Straßensperre oder ein Selbstmord in Polizeihaft nächtelange, schwere Unruhen auslösen können. Und dass ein Generalverdacht gegen die Polizei grassiert. Tatsächlich hat Frankreich mehr als nur Probleme mit brennenden Autos. Viel schwerer wiegt die politische Ratlosigkeit jener, die in Paris in Amt und Würden sitzen. Sie haben sich darauf eingestellt, dass die Gewalt - vorerst zumeist gegen Sachen - einfach dazugehört.
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