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Kommentar Unionspläne zur BerufsarmeeDer Wehrpflicht letzter Schuss

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Es gibt keine Zweifel mehr: Die Wehrpflicht wird abgeschafft. Doch obwohl viele Linke für eine solche Reform jahrzehntelang gekämpft haben, ist das kein Anlass zur Genugtuung.

N achdem nun auch das CDU-Präsidium und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer den Schuss gehört haben, gibt es keinen Zweifel mehr: Die Wehrpflicht wird abgeschafft. Ob das Kind beim Namen genannt oder ob behauptet wird, der Zwangsdienst werde lediglich "ausgesetzt", spielt im Ergebnis keine Rolle. Viele Linke, vor allem in der Friedensbewegung, haben jahrzehntelang für die Abschaffung der Wehrpflicht gekämpft. Ist die Reform also für alle Kritiker der Militarisierung von Außenpolitik ein Anlass zur Genugtuung? Nein. Im Gegenteil.

Es ist ja kein Zufall, dass die Entscheidung sich zu einem Zeitpunkt abzeichnet, zu dem die Bundeswehr an einem Krieg beteiligt ist, der viele tausend Kilometer entfernt stattfindet. Rekruten werden für diesen Kampfeinsatz nicht gebraucht. Der Umbau der deutschen Streitkräfte in eine weltweit einsatzfähige Interventionsarmee benötigt Spezialisten und moderne Waffensysteme, kein riesiges Heer innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Dass die Wehrpflicht ein Auslaufmodell war, haben Sicherheitsexperten aller Parteien schon lange gewusst. Und manchmal sogar zugegeben. Nicht aus friedenspolitischen Erwägungen heraus, sondern aus Gründen der Effizienz und Kostenersparnis.

Eine Berufsarmee besteht ausschließlich aus Soldaten, die freiwillig zum Militär gegangen sind. Internen demokratischen Strukturen, dem Prinzip der Inneren Führung, vor allem dem Leitbild vom Bürger in Uniform muss das nicht förderlich sein. Schlecht gelaunte Wehrpflichtige, die überall lieber wären als in der Kaserne, sind hervorragend geeignet, die Streitkräfte zu kontrollieren und Missstände aufzudecken. Ein Korpsgeist, in dessen Namen Skandale vertuscht und Informanten als Verräter gebrandmarkt werden, bildet sich in einer Wehrpflichtarmee nicht so leicht heraus.

Bild: taz

BETTINA GAUS ist politische Korrespondentin der taz für Inlandsthemen.

Kriege, auch völkerrechtswidrige Kriege sind in der Geschichte sowohl von Berufsarmeen wie auch von Wehrpflichtarmeen geführt worden. Einige derjenigen, die seit vielen Jahren die Abschaffung des Zwangsdienstes gefordert haben, erweckten den Eindruck, sie hielten eine solche Entscheidung für den ersten Schritt auf dem Weg zur gänzlichen Abschaffung der Streitkräfte. Davon kann keine Rede sein. Wir bekommen nicht weniger Militär, sondern ein anderes Militär. Schlagkräftiger, professioneller, leichter einsetzbar. Für Kriegsgegner ist das kein Grund zur Freude.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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14 Kommentare

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  • A
    Andreas

    Wer glaubt, dass Wehrpflichtige eine Armee zivilisieren, glaubt auch, dass ein multinationaler Konzern über seien Lehrlinge kontrolliert werden kann.

     

    Wehrpflichtarmeen werden bevorzugt von Diktaturen eingesetzt. Warum wohl? Wehrpflichtige werden in der Türkei gegen die PKK eingesetzt und in Israel in Kampfeinsätzen gegen die Palästinenser. Von den russischen Verhältnissen muss man erst gar nicht reden, aber man sollte sie kennen und sich anschauen.

     

    Nichts von dem, was den Wehrpflichtigen an positiven Effekten nachgesagt wird, hält einer genaueren Überprüfung stand!

     

    So ist es auch nicht einzusehen, warum jemand, der über die Wehrpflicht Zeit- oder Berufssoldat wird, jetzt ein besonders guter Soldat sein soll. Wer beim Bund war, weiß, dass das normalerweise die letzten Idioten waren, die im Zivilleben sonst nie eine Chance gehabt hätten. Wer den Wehrdienst erlebt hat und trotzdem bei der Bundeswehr bleiben möchte, sollte eigentlich viel mehr Befürchtungen auslösen.

     

    All das weiß man (frau) natürlich nicht, wenn man (frau) selber nie gedient hat. Aber dann dumm daherschreiben, dass hat MANN besonders gern.

  • AS
    Amir Soukie´

    ich muß ganz ehrlich sagen, das ich es öfters nicht verstehe, das Leute sich zu solchen Dingen zwingen lassen. Ich bin vielleicht etwas "vermessen", möchte aber behaupten, das sie mich nicht gekriegt hätten. Ich hatte es mir fest vorgenommen, und es war unvorstellbar für mich. Das heißt, das ich wenige Woxhen vor meinem Einzugstermin eine Nachmusterung bekam.

    Trotzdem, gekriegt hätten sie mich nicht. Zivildienst klingt zwar gut, aber es war damals so, das viele dazu nicht bereit waren, da auch dort gezwungenermassen anzutreten war. Der Staat war ein Arsch!

  • P
    Piti

    Es ist ja nun schon länger so, dass gar nicht mehr jeder eingezogen wird. In meiner Generation sind lediglich Leute zum Bund, die auch wollten. Viele wurden ausgemustert und haben nichts gemacht.

     

    Aber wie ist das nun mit dem Zivildienst? Kann sich die Nation es leisten den auch "auszusetzen"?

  • OR
    Oliver Rau

    Wehrpflichtige verhindern also einen Korpsgeist und decken Mißstände auf? Das hat ja in den letzten 60 Jahren hervorragend geklappt, wie die ständigen Skandale um Menschenschinderei in den Kasernen belegen...

     

    Und eine Berufsarmee ist nicht pazifistisch? Ehrlich wahr, Frau Gaus? Danke für diese wichtige Aufklärung, wäre ich ohne Sie nie drauf gekommen!

     

    Die Abschaffung der Wehrpflicht ist aus einem einzigen Grund zu begrüßen: weil damit ein sinnloser Zwangsdienst wegfällt, ein nicht zu rechtfertigender und in seiner sexistischen Einseitigkeit auch noch verfassungswidriger Eingriff in die persönliche Freiheit der Bürger.

     

    Mich hat das (als unfreiwillig Zivildienst Leistender) übrigens 18 verschwendete Monate meines Lebens gekostet. Von daher verbittert es mich ehrlich gesagt ein wenig, wenn jetzt ausgerechnet in der taz ausgerechnet eine Frau - die davon nie betroffen war - diesem Zwangsdienst noch Tränen hinterher weint. Mit einem Argumentationskonstrukt, das ich eher im Bayernkurier vermuten würde als in einer linksalternativen Tageszeitung.

  • R
    Reinecke54

    @von hystie:

     

    Bitte nicht schon wieder diese verschwörungstheorien. England hat keine tradition einer wehrpflicht. Als die konservativen aus angst vor einer französischen invasion die wehrpflicht einführen wollten, stellten sich die manchesterliberalen wie Richard Cobden mit erfolg gegen diesen blödsinn. Ansonsten wurde die wehrpflicht nur zum ersten weltkrieg (auch auf betreiben der suffragetten) und zum zweiten weltkrieg eingeführt. Und vom einsatz der armee im innern weit und breit keine spur. Aber in Griechenland, Chile, da gab es zu zeiten der militärputsche auch eine wehrpflicht.

     

    Wie frau Gaus warst du bestimmt nie wehrpflichtiger soldat, sonst könntest du den einfluss der wehrpflichtigen nicht so masslos überschätzen.

  • P
    Peter

    Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich es liebe wenn sich Frauen zur Wehrpflicht äussern. Wenn sich Jemand, der weder Wehr- noch Zivildienst geleistet hat und absolut nicht weiß was das für den einzelnen bedeutet, sich anmaßt diese Pflicht für andere zu befürworten. Und wie vor allem! Da ist nicht der Russe der vor der Tür steht. Nein, als demokratische Aufpasser über das Militär sollen die jungen Männer zwangsweise ein knappes Jahr, unter Androhung von Haftstrafen, die Ausbildung zum Soldaten absolvieren um so Nachwuch zu werben, als demokratische Aufpasser, weil es den jungen Männern ja nicht schaden kann oder weil unser Sozialwesen nicht ohne staatlich subventionierte Zwangsarbeiter auskommen kann (will!?) wärend die Damen der Schöpfung an der Uni sitzen und sich auf den Kindern ausrumen die sie vielleicht niemals kriegen werden.

  • SM
    Stefan Moes

    Die Abschaffung der Wehrpflicht ist kein Erfolg antimilitaristischer Politik. Das ist bedauerlich. Trotzdem ist sie positiv. Die große Mehrheit der männlichen Jahrgänge lernte in der Bundeswehr auf Befehl zu marschieren, zu schießen und Tötungshemmungen abzubauen. So trug die Wehrpflicht weit mehr zur allgemeinen Militarisierung (und zur Prägung eines archaischen Männerbildes) bei als zur demokratischen Kontrolle des Militärs. Die ist jetzt umso wichtiger - vorgetragen von Bürgern, die die Erfahrung eines weitgehend rechtlosen Zwangsdienstes nicht mehr kennen.

  • J
    Jens

    Ich kann Frau Gaus nur zustimmen: Eine Abschaffung der Wehrpflicht erleichtert das weltweite Krieg führen.

     

    Wobei die Wehrpflicht unsere neuen (Angriffs)Kriege auch nicht verhindert hat. Weder der Krieg gegen Jugoslawien, noch der gegen Afghanistan, noch der gegen den Irak. Und auch nicht die netten (Halb)kriege, wie die unserer heldenhaften Bundesmarine vor dem Horn von Afrika.

     

    Und die Wehrpflichtigen können offensichtlich auch nicht begangene Kriegsverbrechen zur Sprache bringen. Die Kumpanei zwischen Militär, Politik und Presse weis dies schon zu verhindern, siehe die Bomben in Kunduz und die Straffreiheit für die Täter.

     

    ABER trotzdem ist mir eine Wehrpflichtigenarmee 1000 mal lieber. Weil diese Ressourcen bindet und weil man bei einer Wehrpflichtigenarmee wenigstens den Anschein wahren muss. Man stelle sich eine nicht durch das Parlament kontrollierbare Armee nur aus archaiischen KSK-Kämpfern vor - zum kotzen.

  • S
    Schattenfels

    Unter Rot-Grün wurden Hufeisenpläne geschmiedet, um ohne UN-Mandat Krieg führen zu können und unter Schwarz-Gelb wird die Wehrpflicht abgeschafft und die Armee verkleinert...

     

    Erst mal an die eigene Nase fassen, bevor man hier rumnörgelt.

     

    Ansonsten super, liebe taz, ihr seid oberklasse!

  • S
    shibirian

    " Schlecht gelaunte Wehrpflichtige, die überall lieber wären als in der Kaserne, sind hervorragend geeignet, die Streitkräfte zu kontrollieren und Missstände aufzudecken."

     

    Und sonst so?

  • E
    EnzoAduro

    Mir egal.

    Hauptsache keiner muss beim Bund rumpimmeln*.

    *Bundeswehrjargon für Dienstanwesenheit ohne Aufgabe.

  • S
    Stimmvieh

    Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass die Wehrpflicht überhaupt je zu einer demokratischen Kontrolle der Bundeswehr beigetragen hat. Und was Berufssoldaten am Horn von Afrika, auf dem Balkan oder in Afghanistan tun, können sie noch weniger kontrollieren.

    Dass die Regierung gern eine flexible Interventionsarmee haben will, mit der sich "die Sicherheit Deutschlands" künftig nicht nur am Hindukusch, sondern weltweit verteidigen lässt, ist ganz sicher kein Grund zur Freude, aber eine Beibehaltung der Wehrpflicht hätte das auch nicht verhindert.

  • KS
    Klaus Schröder

    Die Vorstellung, Wehrpflichtige könnten das Militär kontrollieren, war und ist naiv. Wenn man nicht das Totschlagargument zweiter Weltkrieg bemühen will, kann man auf Vietnam verweisen. Trotz innerer Führung sind es nicht die Mannschaftsdienstgrade, die das sagen haben. Und die Skandale um die Misshandlungen an Soldaten bei der Bundeswehr erwecken bei mir auch nicht den Eindruck, Wehrpflichtige würden Korpsgeist unterbinden.

     

    Und es kann auch nicht sein, dass man jungen Männern ihrer Freiheitsrechte monatelang nimmt, nur in der Hoffnung, so eine Armee zivilisieren zu können. Für die Kontrolle der Bundeswehr werden wir von außen sorgen müssen - ob ohne Wehrpflicht oder mit.

  • T
    tystie

    In vollem Umfang zustimmungswürdige Analyse.

    Der nächste Schritt ist die Anwendung des Instruments Bundeswehr im Innland.